Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06. Dezember 2012; C-152/11

Bei dem Aushandeln von Sozialplänen aber auch außerhalb von Sozialplänen bei der Verhandlung von Abfindungen im Rahmen von Aufhebungsverträgen stellt sich immer wieder die Frage, wie Abfindungsbeträge zu ermitteln sind. Teilweise wird hier vertreten, alle Arbeitnehmer hätten Anspruch auf die gleiche Berechnungsmethode, meist in Anlehnung an die bisherige Betriebszugehörigkeit. Dem wird entgegengehalten, dass nach dieser Berechnungsart in der Praxis häufig diejenigen Arbeitnehmer die höchsten Abfindungsansprüche hätten, die kurz vor der Pensionierung stünden und daher kaum unter einer (vorzeitigen) Vertragsbeendigung leiden würden. Viel größer sei doch die Schutzbedürftigkeit derjenigen, die – ggf. nach einem Überbrückungszeit mit Arbeitslosengeld – keinen Rentenanspruch hätten sondern noch eine längere Zeit im Erwerbsleben bis zum Eintritt ins Rentenalter zurücklegen müssten.

Dieser Überlegung wird wiederum entgegnet, entsprechende Staffelungen würden gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen.

Der europäische Gerichtshof hat sich nunmehr mit der Gestaltung von Sozialplanabfindung insbesondere für rentennahe Arbeitnehmer befasst. Nach der neuen Entscheidung kann er sozialplangeringere Abfindungen für diejenigen Arbeitnehmer vorsehen, die kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter stehen. Dabei darf allerdings nur auf das reguläre Renteneintrittsalter abgestellt werden. Die Möglichkeit, etwa aufgrund einer Behinderung vorzeitig Altersrente beanspruchen zu können, darf insoweit keine Rolle spielen, da dies wiederum eine Diskriminierung wegen einer Behinderung darstellen würde.

Eine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer sieht der europäische Gerichtshof – ebensowenig wie das BAG – nicht, da die Sachverhalte sehr unterschiedlich seien: sogenannten rentennahe Arbeitnehmer müssten keine oder nur noch geringe Zeiträume bis zum Bezug der Altersrente überbrücken und hätten bereits einen großen Teil ihrer Rentenansprüche erworben. Anders sei die Situation bei Arbeitnehmern, die noch eine längere Zeit bis zum Renteneintritt zurücklegen müssten. Hier muss die Rente zum Einen noch aufgebaut werden, zum Anderen fehlen Rentenansprüche zur Deckung des Lebensbedarfs. Eine Schlechterstellung älterer rentennaher Arbeitnehmer sei daher mit den Diskriminierungsrichtlinien der EU zu vereinbaren.

Nicht ganz konsequent ist insoweit die Feststellung, dass eine vorzeitige Rentenantragsberechtigung aufgrund einer Schwerbehinderung nicht berücksichtigt werden dürfe, auch wenn der Arbeitnehmer auf diese Weise einen gesicherten Lebensunterhalt aufweist. Mit dem früheren Rentenanspruch von Schwerbehinderten sollen die besonderen Probleme und Risiken ausgeglichen werden, denen Schwerbehinderte regelmäßig unterliegen. Würde an die vorzeitige Verrentungsmöglichkeit für Schwerbehinderte angeknüpft und nur eine entsprechend ermäßigte Abfindung gezahlt, würde eben der vom Gesetzgeber beabsichtigte Ausgleich einer behinderungsbedingten Benachteiligung wieder entfallen. Hier möchte der EuGH nicht von zwei unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen, wie bei der Frage einer altersbedingten Diskriminierung. Konsequent dürfte dies eher nicht sein. Trotzdem müssen sich die Betriebspartner in Zukunft bei der Gestaltung von Sozialplanansprüchen hieran orientieren.

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