BAG, Urteil vom 16. April 2014 – 4 AZR 802/11

Der vorliegenden Entscheidung könnte im Zusammenhang mit dem seit 01. Januar 2015 zwingenden gesetzlichen Mindestlohnanspruch über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen.

Das BAG hat über einen Fall entschieden, in dem ein Tarifvertrag einen Mindestlohnanspruch „je Stunde“ vorgesehen hatte. Auch die neue gesetzliche Regelung stellt auf einen Mindestlohn je Stunde und nicht etwa auf umgerechnete Werte auf Wochen-, Monats- oder Jahresbasis ab. Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit zur jetzigen gesetzlichen Lage.

Der dort zugrunde liegende Tarifvertrag hatte keine Regelung hinsichtlich Spät-Nachtarbeit oder einer sonstigen Lage der Arbeitszeit getroffen. Streitig war zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ob eine vom Arbeitgeber geleistete Zulage für erbrachte Spätschichten auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden musste. Diese Auffassung vertrat selbstverständlich der Arbeitgeber. Anders der Arbeitnehmer: Er war der Auffassung, dass eine Anrechnung nicht in Betracht komme. Dann wäre nämlich bei Berücksichtigung des reinen Stundenlohns eine Zusatzzahlung des Arbeitgebers zur Erreichung des Mindestlohns erforderlich gewesen. Unter Berücksichtigung der Spätschichtzulagen, die ebenfalls für geleistete Arbeitsstunden erbracht wurden, ergab sich aber keine Pflicht zur ergänzenden Zahlung.

Das BAG hat entschieden, dass die vom Arbeitgeber dort gezahlte Spätschichtzulage auf den tariflichen Mindestlohnanspruch anzurechnen sei. Der Tarifvertrag enthielt keine Regelung über eine eventuelle Erhöhung des Mindestlohns oder zwingende Zahlungen als Ausgleich für besondere Belastungen (z.B. Arbeit während der Spätschicht). Auch die erschwerten Bedingungen einer Spätschicht gehören damit zur sog. „Normalleistung“, so dass Spätschichtzulagen auf den Mindestlohn anzurechnen waren.

Für Spätschichten existieren auch keine gesetzlichen Regelungen mehr, die zwingend Zahlungen vorsehen.

Anders war die Situation allerdings im entschiedenen Fall bei den Nachtschichten. Zwar gab es auch hier keine tarifliche Regelung. Das BAG hat aber auf die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG verwiesen: Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen für Nachtarbeit bestehen, muss der Arbeitgeber nach dieser Vorschrift dem Nacht-Arbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden entweder eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen finanziellen Zuschlag auf das reguläre Bruttoarbeitsentgelt gewähren.

Entscheidet sich der Arbeitgeber hier nicht für die bezahlte Freistellung als Ausgleichsmaßnahme, sondern für eine finanzielle Abgeltung, ist diese finanzielle Abgeltung zusätzlich zum Mindestlohn für die „Normalarbeit“ zu bezahlen und kann nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber auch noch versucht, Vermögenswirksame Leistungen auf den Mindestlohn anzurechnen. Hier konnte das BAG mit relativ kurzer Begründung widersprechen: Vermögenswirksame Leistungen verfolgen eine sozialpolitische Zweckrichtung und sind nicht Gegenleistung für eine konkret geleistete Arbeit. Hinzu kommt, dass Vermögenswirksame Leistungen nicht „je Stunde“, sondern pauschal in der Regel monatlich oder jährlich gezahlt werden.

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