Ausschluss von Doppelansprüchen bei Urlaub

Am 30. März 2015, von Michael Eckert

BAG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – 9 AZR 295/13

Mit der vorliegenden Entscheidung hat das BAG eine in der Praxis häufige und hinsichtlich der gesetzlichen Regelung teilweise unbekannte Gestaltung aufgegriffen. Betroffen ist ein Arbeitsplatzwechsel im laufenden Kalenderjahr.

Die gesetzliche Grundregel in § 6 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist häufig nicht oder nur teilweise bekannt: Danach besteht der Anspruch auf Urlaub nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Damit der „neue“ Arbeitgeber weiß, wie viel Urlaub der „alte“ Arbeitgeber bereits im laufenden Kalenderjahr gewährt hat, ist der „alte“ Arbeitgeber verpflichtet, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder finanziell abgegoltenen Urlaub auszuhändigen. Der Arbeitnehmer wiederum muss diese Bescheinigung beim neuen Arbeitgeber vorlegen.

Hat ein Arbeitnehmer somit im Kalenderjahr in ein neues Arbeitsverhältnis gewechselt und beantragt er beim neuen Arbeitgeber Urlaub, muss er diesen darüber informieren, dass und ggf. wie viel Urlaub für das laufende Kalenderjahr bereits gewährt worden ist.

In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Kläger am 12. April 2010 ein neues Beschäftigungsverhältnis aufgenommen. Der neue Arbeitgeber lehnte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die vom Kläger verlangte Abgeltung des Urlaubs ab, und zwar mit der Begründung, dem Arbeitnehmer sei bereits von seinem früheren Arbeitgeber für das Jahr 2010 Urlaub gewährt worden. Eine Urlaubsbescheinigung des früheren Arbeitgebers hatte der Kläger nicht vorgelegt.

Die erste Instanz hatte dem Kläger noch seine Urlaubsabgeltung zugesprochen. Die zweite Instanz beim Landesarbeitsgericht hatte die Klage dagegen abgewiesen, da eine Ausschlussfrist nicht eingehalten worden sei. Das BAG hat beide instanzgerichtlichen Entscheidungen für falsch gehalten und nun folgendes entschieden:

Zwar habe der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist im vorliegenden Fall gewahrt, seinen Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch also rechtzeitig geltend gemacht. Allerdings müsse der Kläger noch nachweisen, dass der frühere Arbeitgeber den Urlaubsanspruch für das streitige Kalenderjahr 2010 nicht ganz oder teilweise erfüllt oder durch Zahlung eines Geldbetrages abgegolten habe. Der neue Arbeitgeber schuldet danach nur denjenigen Anteil am Urlaubsanspruch, den der frühere Arbeitgeber nicht bereits gewährt oder abgegolten hat.

Anmerkung:

Die Rechtslage wird an folgendem Beispiel leichter verständlich:

Beim alten Arbeitgeber nimmt der Arbeitnehmer im Juni des laufenden Jahres seinen gesamten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Das Arbeitsverhältnis endet dann am 31. Juli. Am 01. August beginnt der Arbeitnehmer bei einem neuen Arbeitgeber, der innerhalb der Probezeit rechtzeitig zum 31. Dezember des Jahres kündigt. Nun macht der Arbeitnehmer vom 01. August bis 31. Dezember, mithin für fünf Monate, Urlaubsabgeltung geltend. Im neuen Arbeitsverhältnis bestand ebenfalls ein Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Tagen (gesetzlich: 20 Tage in der Fünftagewoche, zusätzlich weitere 10 Tage über den Mindesturlaub hinaus).

Hier besteht gegen den neuen Arbeitgeber kein Anspruch mehr auf Urlaubsabgeltung. Der Arbeitnehmer hat seinen gesamten Jahresurlaub bereits vom ersten Arbeitgeber erhalten. Ein Arbeitgeberwechsel führt nicht dazu, dass der Urlaubsanspruch dann noch einmal entsteht.

Urlaubsansprüche gegen den neuen Arbeitgeber bestünden nur dann, wenn entweder der Urlaubsanspruch nach dem neuen Arbeitsvertrag (30 Tage) durch den ersten Arbeitgeber noch nicht vollständig erfüllt worden wäre. Das gleiche gilt dann, wenn im zweiten Arbeitsverhältnis ein höherer Urlaubsanspruch bestünde als beim ersten Arbeitgeber. Dann muss der zweite Arbeitgeber nur noch die Differenz vergüten.

Nach der neuen Entscheidung hat der Arbeitgeber hinsichtlich der Gewährung von Urlaub oder der finanziellen Abgeltung des Urlaubs beispielsweise bei Vertragsende eine Art Zurückbehaltungsrecht, und zwar so lange, bis der Arbeitnehmer nachweist, ob und wieviel Urlaub der erste Arbeitgeber für das laufende Kalenderjahr bereits gewährt hat. Hierfür sollte der Arbeitnehmer die in § 6 Abs. 2 BUrlG vorgesehene Bescheinigung verwenden, die der erste Arbeitgeber ausstellen muss.

Praxistipp:

Arbeitgeber sollten sich bei jeder Einstellung im Verlauf eines Kalenderjahres vom neu eingestellten Arbeitnehmer eine entsprechende Urlaubsbescheinigung des bisherigen Arbeitgebers vorlegen lassen und im Fall der Nichtvorlage darauf hinweisen, dass Urlaub erst beansprucht werden kann, wenn eine entsprechende Bescheinigung vorliegt.

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