BAG, Urteil vom 08. Dezember 2011 –  6 AZR 354/10

Die vorliegende Entscheidung befasst sich mit zwei in der Praxis sehr wichtigen Fragen bei Ausspruch einer Kündigung. Dabei entscheiden oft nicht die Kündigungsgründe über die Wirksamkeit einer Kündigung, sondern immer häufiger Formalien wie Formen, Fristen, Vollmachtsvorlagen etc.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Minderjähriger schloss, vertreten durch seine Eltern, einen Ausbildungsvertrag mit dem Arbeitgeber ab. Am letzten Tag der dreimonatigen Probezeit kündigte der Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis. Das Kündigungsschreiben war an den Auszubildenden selbst adressiert, gesetzlich vertreten durch die Eltern, und wurde durch einen Boten am gleichen Tag, also gerade noch während der Probezeit um 08:30 Uhr vormittags in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Auszubildenden und seiner Eltern eingeworfen. Die Eltern befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Urlaub. Sie wurden vom Auszubildenden nach Auffinden des Schreibens kurz nach Ablauf der Probezeit telefonisch informiert. Vier Tage nach Einwurf des Kündigungsschreibens kehrten die Eltern zurück und nahmen tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des Kündigungsbriefes. Erst neun Tage nach dieser Kenntnisnahme rügten die Eltern gegenüber dem Arbeitgeber, die Kündigung sei nicht durch den Inhaber bzw. einen Prokuristen unterschrieben worden und es sei kein Original der Vollmachtsurkunde mit der Kündigung vorgelegt worden.

Hier ergeben sich zwei höchst praxisrelevante Rechtsfragen:

(1) Zugang der Kündigung

Es kommen mehrere Zugangseitpunkte in Betracht: Einwurf des Schreibens, der Abend des Einwurftages, der Tag der Kenntnisnahme durch den Minderjährigen, der Zeitpunkt der telefonischen Information der Eltern und letztlich der Tag, an dem die Eltern die Kündigung gelesen haben.

Das BAG hat zunächst darauf hingewiesen, dass eine schriftliche Willenserklärung gegenüber einem Minderjährigen dann zugeht, wenn sie zum einen mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden ist, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht. Hier war die Kündigung adressiert an den minderjährigen Auszubildenden, vertreten durch die Eltern, so dass der Wille des Arbeitsgebers erkennbar ist, dass die Erklärung auch den Eltern zugeht.

Darüber hinaus muss die Kündigung in den Herrschaftsbereich der gesetzlichen Vertreter (Eltern) gelangen. Dies war mit Einwurf in den Briefkasten am letzten Tag der Probezeit der Fall, da dies ein gemeinsamer Briefkasten von Eltern und Kind war.

Die Tatsache, dass die Eltern in Urlaub oder aus sonstigen Gründen nicht zu Hause waren, spielt dabei keine Rolle. Der Briefkasten stellt den Herrschaftsbereich dar, auf vorübergehende Abwesenheiten kommt es insoweit nicht an.

Praxistipp:

Um insbesondere in Fällen unterschiedlichen Wohnsitzes von Eltern und Kind sicherzugehen, müssen Ausbilder/Arbeitgeber eine gegenüber dem Minderjährigen auszusprechende Kündigung direkt an die Eltern senden. Eine Übersendung an den Minderjährigen selbst reicht nicht aus. Eine an ihn gerichtete Kündigung würde erst wirksam werden, wenn er diese an die Eltern weitergibt. Dies kann zumindest zu Zeitverzögerungen führen.

(2) Zurückweisung der Kündigung mangels Vollmachtsvorlage

Die Kündigung war nicht durch den Inhaber oder einen Prokuristen unterzeichnet. Daher muss mit Ausspruch der Kündigung regelmäßig eine schriftliche Vollmacht zugestellt werden, die bei den vorgenannten Personengruppen, ebenso wie beispielsweise bei einem GmbH-Geschäftsführer, AG-Vorstand o.ä. entbehrlich ist, da sich eine Kündigungsberechtigung dort aus öffentlichen Registern ergibt.

Dem Kündigungsschreiben war vorliegend allerdings keine Originalvollmacht beigefügt gewesen. Daher hatten die Eltern des minderjährigen Azubi die Möglichkeit, die Kündigung unverzüglich wegen dieses Fehlens der Vollmachtsurkunde zurückzuweisen. Geschieht dies rechtzeitig, entfaltet die Kündigung keinerlei Wirkung. Im vorliegenden Fall wäre dann eine Probezeitkündigung nicht mehr möglich gewesen. Hier erfolgte eine Zurückweisung aber nicht unverzüglich, sondern erst nach neun Tagen.

Das BAG vertritt die Auffassung, dass eine Zurückweisung zumindest dann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, spätestens (!) eine Woche nach der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers der Kündigung von der fehlenden Vollmachtsvorlage erklärt werden müsse. Vorliegend war die Wochenfrist aber bei Absendung des Widerspruchsschreibens und erst Recht bei dessen Zugang bereits abgelaufen.

Im Ergebnis war die Kündigung somit wirksam ausgesprochen worden.

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