Anwendung des Mindestlohnes auch für Bereitschaftsdienst

Am 12. Dezember 2016, von Michael Eckert

BAG, Urteil vom 29. Juni 2016 – Az: 5 AZR 716/15

Die noch relativ jungen gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn geben in der Praxis immer wieder Veranlassung zu Auseinandersetzungen.

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitnehmer für geleistete Bereitschaftszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes eine Vergütung von € 15,81 je Arbeitsstunde geltend gemacht. Dabei hat es sich um die für ihn übliche Vergütung gehandelt, die er für Arbeitsleistungen erhält. Insgesamt hatte der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Bruttomonatsentgelt von ca. € 2.700,00 zuzüglich Zulagen. Geschuldet war eine Arbeitszeit von 228 Stunden im Monat einschließlich vereinbarter Bereitschaftszeiten. Der Arbeitnehmer war der Auffassung, dass sich hieraus eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohnes ergibt und seine Bereitschaftszeiten nicht mit mindestens € 8,50 (damaliger Mindestlohn) vergütet werden.

Das BAG hat nunmehr entschieden, dass auch Bereitschaftszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes als Arbeitszeit im Sinne des Mindestlohngesetzes anzusehen sind. Daher gilt auch hier der gesetzliche Mindestlohn.

Insgesamt wurde die Klage jedoch abgewiesen, da der Arbeitnehmer jedenfalls im Monatsdurchschnitt eine Vergütung erhalten hat, die über dem Mindestlohn lag. Der Arbeitnehmer hatte, soweit sich aus dem Urteil ergibt, zwar für tatsächliche Arbeitszeiten den genannten Stundenlohn von
€ 15,81 erhalten, für reine Bereitschaftszeiten jedoch keine oder nur eine wesentlich geringere Vergütung unter € 8,50.

Das BAG hat hier eine Saldierung zugelassen und eine recht einfache Berechnung aufgestellt, die auf den Monatsverdienst bezogen ist. Das Gericht hat den Bruttomonatsverdienst durch die geschuldeten Monatsarbeitsstunden geteilt, um festzustellen, ob insgesamt eine Vergütung auf Basis des Mindestlohns erzielt wird. Diese Berechnung ergab vorliegend einen durchschnittlichen Stundenlohn von ca. € 11,75, so dass kein ergänzender Vergütungsanspruch auf Grundlage des Mindestlohngesetzes bestand.

Trotzdem ist diese Entscheidung nicht ganz nachvollziehbar. Mindestlohn wird für Arbeitsleistung geschuldet. Bereitschaftszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung geschuldet wird.

Hinzu kommt, dass das Arbeitszeitgesetz keine gesetzliche Regelung ist, die überhaupt Regelungen im Zusammenhang mit der Vergütung trifft. Daher war bisher immer anerkannt, dass das Arbeitszeitgesetz lediglich Regelungen im Zusammenhang mit der Arbeitssicherheit aufstellt und Zeiten, die nach dem Arbeitszeitgesetz als Arbeitszeit anzusehen sind, nicht automatisch zu einem entsprechenden Vergütungsanspruch führen.

Vergütungsanspruch und Arbeitssicherheit sind zu trennen. Das BAG hat aber nunmehr grundsätzlich festgelegt, dass auch Bereitschaftszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen.

Die vom BAG zugelassene Möglichkeit, Arbeitszeiten mit unterschiedlicher – oder auch ganz fehlender – Vergütung zu saldieren, ist immerhin eine für die Praxis wichtige Klarstellung. Hier sollte der Arbeitgeber aber darauf achten, dass möglichst nicht stundenweise Vergütungen unterhalb des Mindestlohnes ausgewiesen werden, sondern insoweit ein Monatsverdienst.

Stichworte:
 

Comments are closed.