BAG, Beschluss vom 21. September 2016, Az: 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15

Tarifverträge können in drei Fällen für einen einzelnen Arbeitsvertrag verbindlich werden:

  • Zunächst ist hier die beidseitige Verbandsmitgliedschaft zu nennen, d.h. der Arbeitgeber muss Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband und der Arbeitnehmer Mitglied in der tarifschließenden Gewerkschaft sein. Dann spricht man von einer Tarifbindung durch Mitgliedschaft.
  • Darüber hinaus ist denkbar, dass die Geltung des Tarifvertrages im Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wird.
  • Schließlich sind auch Fälle denkbar, in denen Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dies erfolgt durch die Sozialministerien aufgrund der gesetzlichen Vorschriften im Tarifvertragsgesetz.

Eine Allgemeinverbindlicheerklärung ist deshalb gefährlich für Arbeitgeber, da insbesondere bei Kleinunternehmen möglicherweise gar keine Kenntnis von den allgemeinverbindlich erklärten und damit allgemein gültigen Tarifverträgen besteht. Diese gehen dann auch den individualvertraglich getroffenen Vereinbarungen, insbesondere zur Vergütung, Urlaub etc. vor.

Die Tatsache, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung nur in den engen Grenzen des Tarifvertragsgesetzes zulässig ist, erklärt sich auch daraus, dass die Vereinbarungen zwischen einem Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft letztlich verbindlich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Tarifgebiet und in der entsprechenden Branche werden. Möglicherweise haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich bewusst entschlossen, nicht Mitglied der entsprechenden Organisation zu werden. Die Ergebnisse von deren Verhandlung werden ihnen aber bei der Allgemeinverbindlicherklärung aufgezwungen. Hier könnte auch ein Verstoß gegen die sog. negative Koalitionsfreiheit in Art. 9 des Grundgesetzes zu sehen sein.

Das BAG hat nunmehr auf Antrag verschiedener Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind, festgestellt, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 15. Mai 2008 und 25. Juni 2010 unwirksam sind. Bei beiden Tarifverträgen sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 5 Tarifvertragsgesetz nicht erfüllt.

Die Feststellung der Unwirksamkeit wirkt für und gegen Jedermann. Sie hat zur Folge, dass nicht im Arbeitgeberverband organisierte Arbeitgeber insbesondere auch keine Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes leisten müssen.

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