Fahrzeit als Arbeitszeit

Am 04. Juli 2016, von Michael Eckert

EuGH, Urteil vom 10. September 2015, Az: C-266/14

Die Frage, inwieweit Fahrzeiten von Arbeitnehmern als Arbeitszeit zu werten sind, ist bisher noch nicht abschließend geklärt. Dabei ist auch zu unterscheiden zwischen der Beurteilung von Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne und Arbeitszeit im Sinne der Arbeitssicherheit, die durch das Arbeitszeitgesetz geregelt wird. Insoweit ist es durchaus möglich, dass Fahrzeiten arbeitszeitrechtlich nicht als Arbeitszeit gelten (weil sie beispielsweise vom Arbeitgeber nicht angeordnet wurden), gleichwohl aber zu vergüten sind.

Im vorliegenden Fall war ein im Kundeneinsatz tätiger Techniker mit dem Firmenfahrzeug unterwegs. Er fuhr von seinem Wohnort morgens direkt zum ersten Kundentermin, um dort technische Arbeiten zu erledigen. Nach Besuch des letzten Kunden an einem Arbeitstag fuhr er dann wieder zurück nach Hause. Er hatte somit keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort und insbesondere auch keinen Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers. Die Fahrzeiten zu den Einsatzorten betrugen bis zu 100 km und dauerten bis zu drei Stunden. Den Fahrplan selbst, das heißt die Route vom ersten bis zum letzten Arbeitseinsatz an einem Arbeitstag, erhielt der Techniker am Vortag von der Zentrale.

Streitig waren vorliegend die Fahrten zwischen dem Wohnort des Technikers und seinem ersten Einsatzort an einem Arbeitstag einerseits sowie die Rückfahrt vom letzten Arbeitsort eines Tages an seinen Wohnort nach Hause. Diese Zeiten hatte der Arbeitgeber im arbeitszeitrechtlichen Sinn (Arbeitszeitsicherheit) nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhezeit gewertet.

Der Fall wurde letztlich vom Europäischen Gerichtshof entschieden. Dieser hat festgestellt, dass bei Arbeitnehmern, die keinen festen oder regelmäßigen Arbeitsort haben, auch die Fahrzeit, die sie für die täglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten auswärtigen Arbeitsorts bzw. für die Fahrt vom letzten Arbeitsort nach Hause aufwenden, als Fahrzeiten gelten.

Begründet wird dies mit dem EU-Recht, vorliegend mit der Arbeitszeitrichtlinie (RL/2003/88/EG). Ziel dieser Richtlinie ist der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Hierfür spiele es keine Rolle, ob Fahrzeiten in der geschilderten Situation zwischen einzelnen Einsatzorten bei Kunden anfallen oder zwischen Wohnort und Arbeitsort beim ersten bzw. letzten Kunden.

Bei Arbeitnehmern, die keinen festen Arbeitsort haben, ist diese Situation anders zu bewerten, als bei solchen Arbeitnehmern mit festem Arbeitsort. Letztere können, beispielsweise auch durch Wahl des Wohnortes, Einfluss auf die tägliche Fahrstrecke nehmen. Für sie hat auch das BAG bereits entschieden, dass die Wegezeit, die sie zwischen Wohnung und ihrer festen Arbeitsstätte zurücklegen, keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes oder der Arbeitszeitrichtlinie ist (BAG, Urteil vom 27. November 2008, 6 AZR 765/07). Hier beginnt die Arbeitszeit erst mit Eintreffen am festen Arbeitsort.

Die neue Rechtsprechung des EuGH gilt daher nur für Außendienstmitarbeiter ohne festen Arbeitsort, die jeweils nicht vor Beginn ihrer Außendiensttätigkeit in den Betrieb des Arbeitgebers kommen (müssen), sondern direkt von zu Hause zum Einsatz starten.

Die neue Entscheidung des EuGH deckt sich auch weitgehend mit der Rechtsprechung des BAG. Dieses hat bereits in der Vergangenheit entschieden, dass als Arbeitszeit insoweit auch diejenige Fahrzeit gilt, die der Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet hat, wo er also die Nutzung eines Fahrzeugs als Fahrer vorschreibt. Bei Außendienstmitarbeitern ist zwar die Anordnung nicht zwingend. In der Praxis zeigt sich aber, dass gerade Techniker zwingend auf die Nutzung des eigenen oder vom Arbeitgeber gestellten Fahrzeugs angewiesen sind und nicht etwa mit Bahn und Bus unter Mitnahme von Werkzeug, Ersatzteilen etc. zum Kunden fahren können.

Anmerkung:

Wichtig ist, dass die vorliegende Entscheidung zum Thema Arbeitssicherheit ergangen ist. Davon zu trennen sind Arbeitszeitregelungen, die allein die Vergütung betreffen. Hier können, auch bei der Berücksichtigung von Pausen, erhebliche Abweichungen vorkommen.

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