BAG, Urteil vom 12. November 2014, Az: 7 AZR 891/12

Die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen für den Abschluss eines befristeten Vertrages sind sehr hoch. Die Arbeitsgerichte tendieren dazu, diese auch zunehmend restriktiv auszulegen, um Kettenbefristungen und sonstige Missbräuche der Befristungsregelungen einzudämmen.

Insbesondere dann, wenn Unklarheit über die Wirksamkeit eines Befristungsgrundes bestand, gab es teilweise die Tendenz, einen befristeten Arbeitsvertrag nicht direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abzuschließen, sondern im Einvernehmen beider Parteien einen Rechtsstreit zu führen und dann eine Befristung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches (meist im schriftlichen Verfahren) zu vereinbaren. Dies hat den Hintergrund, dass gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG Befristungen dann wirksam sind, und zwar unabhängig vom Vorliegen eines Befristungsgrundes, wenn sie durch einen gerichtlichen Vergleich zustande gekommen sind.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung für solche Gestaltungen nunmehr Grenzen aufgezeigt:

Der Arbeitnehmer war seit dem Jahr 2006 zunächst im Rahmen von sechs direkt aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen beim Arbeitgeber beschäftigt. Der Einsatz erfolgte an unterschiedlichen Standorten des Arbeitgebers. Die letzten vier Befristungsvereinbarungen kamen nicht durch Vertrag, sondern im Rahmen gerichtlicher Vergleiche zustande. Hintergrund des letzten gerichtlichen Vergleichs, der in dem vom BAG nun entschiedenen Fall überprüft worden war, waren folgende Besonderheiten: Der Arbeitnehmer hatte sich auf eine ausgeschriebene Stelle ohne Erfolg beworben. Gegen seine Ablehnung hatte er ursprünglich Klage erhoben. Diese Klage wurde mit dem letzten Vergleich dahingehend beendet, dass eine befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde. Dies war die vierte durch Vergleich zustande gekommene Befristung. In deren Rahmen sollte das Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 01. März 2011 bis 31. Dezember 2011 fortgesetzt werden, wobei die Bedingungen sich gegenüber der vorangegangenen Befristung nicht verändern sollten.

Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2011 hat der Arbeitnehmer dann Klage erhoben, über die das BAG jetzt vorläufig entschieden hat. Eine endgültige Entscheidung erfolgte nicht, da der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen wurde.

Das BAG hat zwei wichtige, grundlegende Fragen im Rahmen dieses Rechtsstreits behandelt:

  1. Das BAG hat zunächst festgestellt, dass Voraussetzung für die Wirksamkeit einer durch gerichtlichen Vergleich zustande gekommenen Befristung ist, dass die Parteien eine Bestandsstreitigkeit geführt haben. Dies kann ein Rechtsstreit über eine Kündigung, eine auflösende Bedingung, einen Aufhebungsvertrag oder auch über eine Befristung sein. Streitig muss jedenfalls der Bestand des Arbeitsverhältnisses gewesen sein. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsvertrages angestrebt, indem er die Wirksamkeit der vorletzten Befristung bezweifelt hatte. Damit war die erste Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Befristungsvergleiches erfüllt. ACHTUNGNicht wirksam wäre eine gerichtliche Befristung dann, wenn der Rechtsstreit über ganz andere Aspekte geführt wurde, beispielsweise über Vergütungsfragen, eine Abmahnung o. ä.
  2. Darüber hinaus muss aber, so das BAG in der vorliegenden Entscheidung, auch eine Missbrauchskontrolle stattfinden. Auch dann, wenn ein Gericht an einem Befristungsvergleich mitwirke, seien trotzdem Fälle denkbar, in denen die Befristung unwirksam sein könne. Dies sei etwa dann der Fall, wenn die gesetzliche Vorschrift, die Befristungsvergleiche vorsieht (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG), missbräuchlich eingesetzt werde. Hierauf müssten die Arbeitsgerichte gegebenenfalls auch hinweisen, wenn beabsichtigt sei, einen Vergleich auf übereinstimmenden Vorschlag der Parteien zu schließen (§ 278 Abs. 6 Satz 1 Erste Alternative ZPO). Es gehe nämlich nicht an, dass Gerichte dazu missbraucht werden, eigentlich unwirksame Befristungen allein durch die Protokollierung im gerichtlichen Verfahren zu heilen. Gerichte dürften nicht zur Legalisierung von Rechtsmissbrauch dienen.

Insbesondere sind die Arbeitsgerichte, so das BAG, verpflichtet, sämtliche Aspekte des Falles zu beachten, insbesondere die Zahl der bereits vorangegangenen Befristungen sowie deren Dauer.

Anhaltspunkt für die Ausübung der Missbrauchskontrolle durch die Arbeitsgerichte könne beispielsweise die Frage sein, ob eine der übrigen in § 14 Abs. 1 TzBfG genannten Befristungsgründe vorliege. Aber auch dann, wenn solche Gründe für eine Sachbefristung zu bejahen seien, sei die Missbrauchskontrolle noch nicht abgeschlossen. Vielmehr müsse auch die Dauer der Befristung überprüft werden, wobei das BAG der Auffassung ist, dass eine solche Überprüfung insbesondere einsetzen müsse, wenn die zweijährige Frist des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG überschritten worden sei. Auch eine maßvolle Überschreitung sei noch kein Anlass für Misstrauen. Erst dann, wenn die zweijährige Frist um ein mehrfaches überschritten werde, müsse das Arbeitsgericht prüfen, ob Missbrauch vorliege.

In dem entschiedenen Fall sah das BAG eine Missbrauchskontrolle durch die Arbeitsgerichte als notwendig an. Dem damals zustande gekommenen letzten Vergleich gingen sechs aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Laufzeit von insgesamt zusammengerechnet elf Jahren voraus. Diese Situation bezeichnet das BAG als exemplarisch für einen denkbaren Missbrauch. Hier müssten dann alle Einzelheiten geprüft werden, um nicht den gerichtlichen Befristungsvergleich zur Auffangstation für sämtliche unwirksamen Befristungen werden zu lassen.

Bei der Missbrauchskontrolle könne, so das BAG, auch die Tatsache herangezogen werden, dass eventuell unterschiedliche rechtliche Ausgangssituationen für die einzelnen Befristungen bestanden.

Praxistipp:

In Zukunft werden Gerichte Befristungen, die durch gerichtlichen Vergleich zustande kommen sollen, einer sehr viel genaueren Prüfung unterziehen, als dies bisher vielleicht vereinzelt der Fall war. Andernfalls müssen die Gerichte damit rechnen, dass der Rechtsstreit vom BAG zur erneuten Prüfung zurückverwiesen wird.

Daher sollte bereits dann, wenn die Parteien beabsichtigen, einen gerichtlichen Befristungsvergleich abzuschließen, geprüft werden, ob das Gericht eventuell Anlass haben könnte, eine solche Missbrauchskontrolle auszuüben. Hierbei sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

  • Es muss mit einem gerichtlichen Befristungsvergleich ein Bestandsrechtsstreit einer Klärung zugeführt werden, anderweitige gerichtliche Auseinandersetzungen erfüllen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG.
  • Wenn die Gesamtdauer der vorangegangenen befristeten Verträge vier Jahre überschreitet, kann eine Missbrauchskontrolle einsetzen.
  • Das gleiche gilt dann, wenn es bereits eine nennenswerte Anzahl von Verlängerungen befristeter Verträge gibt.
  • Für Missbrauch könnte auch sprechen, wenn einzelne Befristungen eine sehr lange Laufzeit haben.
  • Bedenklich sind auch Kettenbefristungen, das heißt die unmittelbare Aneinanderreihung von befristeten Einzelverträgen, ohne dass zwischen den einzelnen Befristungen ein zeitlicher Abstand liegt.
  • Zum Misstrauen gibt auch die Tatsache Anlass, wenn immer wieder der gleiche Befristungsgrund verwendet wird.
  • Das Gericht muss auch prüfen, ob statt des Abschlusses befristeter Einzelverträge nicht auch der Abschluss eines Dauerarbeitsvertrages, also eines unbefristeten Vertrages möglich ist. Hierzu muss geprüft werden, ob ein Dauerarbeitsplatz besteht oder sich immer wieder neue, eine Befristung rechtfertigende, Situationen ergeben.
  • Darüber hinaus müssen die Arbeitsgerichte auch anderweitige Aspekte prüfen, die einen Missbrauchsverdacht begründen könnten.

Es gibt also keine Automatik dergestalt, dass eine Befristung, die durch gerichtlichen Vergleich zustande gekommen ist, in jedem Fall wirksam ist. Es muss immer eine Einzelfallprüfung stattfinden.

Von dem Erfordernis, dass einem solchen Vergleich ein Bestandsrechtsstreit vorausgegangen sein muss, hat das BAG in der genannten Entscheidung eine Ausnahme zugelassen. Danach soll auch ein Befristungsvergleich in einem Rechtsstreit zulässig sein, mit dem der Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Folgearbeitsvertrages erreichen will. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer sich auf einen Arbeitsplatz für einen Folgearbeitsverhältnis beworben hat, jedoch abgelehnt wurde und zwischen den Parteien streitig ist, ob die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers richtig und gesetzmäßig war.

In Zukunft wird es daher noch wichtiger sein, bereits bei Abschluss eines gerichtlichen Befristungsvergleiches Argumente dafür zu sammeln, dass ein echter Befristungsgrund vorliegt, um damit einem späteren Missbrauchseinwand begegnen zu können. Dieser Einwand kann von Arbeitnehmerseite kommen, wenn das durch gerichtlichen Vergleich befristete Arbeitsverhältnis ausläuft und der Arbeitnehmer eine Fortsetzung wünscht, die er auf andere Weise nicht erreichen kann.

Der Arbeitgeber muss hier insbesondere auch begründen können, warum beispielsweise bei laufendem Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen nicht von einem Dauerarbeitsverhältnis ausgegangen werden kann. In einem anderen Fall (BAG, Urteil vom 18. Juli 2012, 7 AZR 783/10) hatte das Bundesarbeitsgericht bei dreizehn aufeinanderfolgenden Befristungen mit einer Befristungsdauer von zusammengerechnet elf Jahren festgestellt, dass hier nicht mehr von einem Befristungsbedarf auszugehen sei, da eine dauernde Beschäftigungsmöglichkeit bestehe. Bezeichnenderweise hatte es sich bei dem Arbeitgeber um eine Justizbehörde in Nordrhein-Westfalen gehandelt.

So kann ein Arbeitgeber beispielsweise bei besonders vielen Beschäftigten nur noch in Ausnahmefällen damit argumentieren, es seien nacheinander verschiedene Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt und müssten daher durch befristet eingestellte Ersatzkräfte vertreten werden. Soweit dies von den Qualifikationen her denkbar ist, gehen die Gerichte zunehmend davon aus, dass hier auf Dauer „Springer“ beschäftigt werden müssten.

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