Vergütung während eines Praktikums

Am 21. September 2015, von Michael Eckert

BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 Az. 9 AZR 289/13

Der Fall betrifft zwar das Praktikum einer Psychotherapeutin, die wesentlichen Inhalte der Entscheidung lassen sich jedoch auf andere Praktika ohne weiteres übertragen.

Im vorliegenden Fall sah sowohl das Ausbildungscurriculum als auch die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung vor, dass durch die Praktikantin lediglich eine Beteiligung an bestimmten ärztlichen Tätigkeiten erfolgen solle. Über die Vereinbarung hinaus hat die Praktikantin jedoch eine selbstständige therapeutische Tätigkeit erbracht, die der Arbeitgeber wirtschaftlich verwerten konnte. Diese Tätigkeit entsprach in etwa dem Arbeitspensum für zwei Arbeitstage. Diese Arbeiten erfolgten ohne Betreuung und Überwachung selbstständig. Sie entsprachen dem Tätigkeitsbild von fertig ausgebildeten festangestellten Psychotherapeuten. Hinzu kamen weitere Arbeitstätigkeiten, die mit einem reinen Praktikum nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen waren. Im Rahmen einer Ausbildung wurden lediglich Gruppensupervisionen durchgeführt und dies auch nur einmal alle sechs bis acht Wochen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für diese Arbeitstätigkeit wäre eine reguläre Arbeitsvergütung geschuldet. Sowohl das Landesarbeitsgericht als auch das BRG haben der Klage stattgegeben.

Das BAG hat in seiner Entscheidung betont, dass ein Praktikum natürlich in der Regel unentgeltlich erbracht werden kann und dies auch vereinbart werden könne. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Berufsbildungsgesetz ausdrücklich eine Vergütung ausschließt, so wie dies hier der Fall war. Ein unentgeltliches Praktikum setzt nämlich voraus, dass auch lediglich eine übliche Praktikantentätigkeit geschuldet wird. Diese ist im Wesentlichen auf das Erlernen von Kenntnissen ausgerichtet. Zwar können auch im Praktikum einzelne Arbeitsleistungen erbracht werden, ohne dass dies gleich zu einer Vergütungspflicht führt. Dies setzt allerdings voraus, dass solche Tätigkeiten im Rahmen der Ausbildung und unter Anleitung/Überwachung geschieht.

Werden jedoch selbstständige Tätigkeiten erbracht, insbesondere, wenn diese mit der üblichen Arbeitstätigkeit nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss vergleichbar ist, geht diese Tätigkeit über das geschuldete Praktikum hinaus und kann eine Vergütungspflicht auslösen.

Auch das Mindestlohngesetz führt in § 22 Abs. I Satz 1 Nr. 1 aus, dass die Vorschriften dieses Gesetzes u.a. dann nicht gelten, wenn ein Praktikum „aufgrund einer Ausbildungsordnung geleistet werde“. Dies setzt voraus, dass die Regelung der Ausbildungsordnung eingehalten und nicht darüber hinaus Arbeitsleistungen erbracht werden.

Tätigkeiten, die über das eigentlich unentgeltlich geschuldete Praktikum hinausgehen, führen aber nicht sofort automatisch zu einer Vergütungsverpflichtung. Werden solche Tätigkeiten beispielsweise nur probeweise oder zur Vertretung übernommen, führt dies nicht zu einer Vergütungspflicht.

Das BAG weist auch darauf hin, dass ein Praktikum in der Regel für den Betrieb mit einem erheblichen Aufwand an Zeit und finanziellen Mitteln verbunden ist, sodass auch kleinere Arbeitsleistungen durch die Praktikumsvereinbarung abgedeckt seien.

Im vorliegenden Fall war allerdings die Grenze einer noch unentgeltlich zu erbringenden Leistung aus Sicht des BAG überschritten. Die Klägerin hatte über einen längeren Zeitraum hinweg praktisch regulär wir eine Arbeitnehmerin mit abgeschlossener Ausbildung gearbeitet. Es fand keinerlei Überwachung statt. Der eigentliche Ausbildungsteil war sehr gering und beschränkte sich auf einzelne Supervisionssitzungen alle sechs bis acht Wochen. Solche Supervisionssitzungen sind auch bei ausgebildeten Psychotherapeuten üblich.

Zusammenfassend hat das BAG festgestellt, dass zwar ein Praktikumsvertrag abgeschlossen wurde, erbracht wurden jedoch ganz überwiegend Arbeitsleistungen wie in einem regulären Arbeitsverhältnis. Eine solche „Umgehung“ sieht das BAG als nicht zulässig und hinsichtlich der Vergütungsfreiheit auch nicht als bindend an. Die reguläre Arbeitstätigkeiten sind danach auch regulär zu vergüten. Wie hoch die Vergütung in jedem Einzelfall ist, bemisst sich nach der Üblichkeit: Das Gericht muss also prüfen, welche Vergütung für die erbrachte Tätigkeit üblich ist.

Wo ein zulässiges unentgeltliches Praktikum endet und eine vergütungspflichtige Arbeitstätigkeit beginnt, muss jeweils im Einzelfall bestimmt werden. Dabei wird es dann wohl darauf ankommen, ob eine Arbeitstätigkeit oder eher der Ausbildungszweck prägend war.

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