Vorsicht bei sachgrundlosen Befristungsverträgen!

Am 20. April 2015, von Michael Eckert

Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht – 1 BvR 1375/14

Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) stellt für die Wirtschaft seit Erlass des Gesetzes eine erhebliche Einschränkung und eine Rechtsunsicherheit dar. Gleichzeitig erweist sich diese Vorschrift für Arbeitnehmer als sehr nachteilig: Dort ist geregelt, dass eine sachgrundlose Befristung (u.a.) nur dann zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber nicht bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

In der Praxis führt diese Gesetzesformulierung dazu, dass ein Arbeitgeber einen befristeten Vertrag ohne Befristungsgrund mit einem Arbeitnehmer nur abschließen darf/kann, wenn dieser Bewerber noch niemals in seinem ganzen Leben für den gleichen Arbeitgeber im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war. Diese Regelung steht beispielweise einer befristeten Beschäftigung ohne Befristungsgrund auch dann entgegen, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise im Rahmen eines Ferienjobs vor Jahren oder Jahrzehnten beim gleichen Arbeitgeber tätig war.

In der Praxis ergeben sich vielfältige Probleme daraus, dass bei einem Verstoß gegen diese Regelung automatisch ein unbefristeter Vertrag zustande kommt. Dies gilt auch dann, wenn dem Arbeitgeber – und vielleicht auch dem Arbeitnehmer – die Vorbeschäftigung überhaupt nicht (mehr) bekannt war, es sich also nicht um eine bewusste Umgehung oder um eine Kettenbefristung gehandelt hat. Wer beispielsweise mit 14 Jahren einmal in den Ferien bei einem Unternehmen gegen Entgelt den Rasen gemäht hat, darf mit 55 nicht mehr sachgrundlos beschäftigt werden.

Da diese Regelung sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer in gleicher Weise nachteilig und in der Praxis kaum handhabbar ist (welches Unternehmen kann heute bei einer Einstellung feststellen, ob der Bewerber vor 20, 30 oder 40 Jahren einmal einige Stunden ausgeholfen hat?), gab es schon vielfache Überlegungen, die Vorschrift zu ändern. Der Gesetzgeber hat dies jedoch ohne nähere Begründung bisher versäumt. Wohl auch aus diesem Grund hatte das Bundesarbeitsgericht am 06. April 2011 (Az. 7 AZR 716/09) mit einer etwas verwegenen Begründung entschieden, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig bzw. unwirksam, wenn mit demselben Arbeitgeber innerhalb der letzten drei Jahre ein anderweitiges Arbeitsverhältnis bestanden habe. Mit anderen Worten: Liegt eine Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurück, darf nach Auffassung des BAG jetzt wieder ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag wirksam abgeschlossen werden.

Seit dieser Entscheidung streiten die Arbeitsrechtler, ob das BAG zu einer solchen Entscheidung befugt war oder ob es damit seine verfassungsmäßigen Rechte überschritten hat. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Gerichte und damit auch das BAG zwar Recht auslegen, aber kein neues Recht schaffen dürfen. Über diese manchmal auch im Graubereich verlaufende Unterscheidung kann man im Arbeitsrecht lange diskutieren. Es gibt eine Vielzahl von Fällen, in denen das BAG Voraussetzungen aufgestellt oder Regeln festgelegt hat, die auch bei äußerst phantasievoller Auslegung des Gesetzes dort nicht ansatzweise zu finden sind. Zu denken ist hier etwa an die Voraussetzungen für betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigungen nach § 1 KSchG.

Die von der Praxis mit Freude und von den Arbeitsrechtlern mit Unsicherheit aufgenommene Entscheidung über die dreijährige Karenzpflicht bzw. die sich daraus ergebenden Folgen sind nunmehr Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.

Der Arbeitgeber in dem dort streitigen Fall hatte die Regelungen eingehalten, die das BAG in seiner Entscheidung vom 06. April 2014 proklamiert hatte: Nach einer Vorbeschäftigung im Jahr 2006 war ein Arbeitnehmer im Juni 2010, also nach über drei Jahren, sachgrundlos befristet eingestellt worden. Der Arbeitnehmer ist jetzt der Auffassung, diese Befristung sei unwirksam, da er bereits früher beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei. Die vom BAG aufgestellte Dreijahresfrist sei willkürlich und damit unwirksam. Eine wirksame Karenzzeit könne nur der Gesetzgeber festlegen.

Das vorliegende Verfahren ist initiiert worden durch Vorlage des Arbeitsgerichts Braunschweig. Das Arbeitsgericht Braunschweig richtet sein Normenkontrollverfahren aber nicht etwa gegen die Rechtsprechung des BAG. Ein solches Verfahren wäre auch nicht zulässig. Vielmehr ist das Arbeitsgericht Braunschweig offensichtlich der Auffassung, die gesetzliche Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG – ohne die vom BAG „eingeführte“ dreijährige Karenzzeit“ – verstoße gegen Normen des Grundgesetzes. Insbesondere stelle es einen Eingriff in die freie Berufsausübung dar und sei – auch zur Verhinderung von Beschäftigungsketten – unverhältnismäßig, eine sachgrundlose Beschäftigung schon dann zu verbieten, wenn irgendwann, vielleicht vor Jahrzehnten, schon einmal ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.

Offen ist hier derzeit, welches Ziel das Arbeitsgericht Braunschweig verfolgt: Denkbar wäre entweder, die Rechtsprechung des BAG zu festigen und verfassungsgerichtlich abzusichern. Denkbar wäre aber auch, die Rechtsprechung des BAG gerade auszuhebeln und die dreijährige Karenzzeit wieder „abzuschaffen“.

Praxistipp:

Wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausfällt und wann sie zu erwarten ist, ist derzeit noch offen. Arbeitgeber sollten in jedem Fall aus Gründen der vorbeugenden Vorsicht befristete Arbeitsverhältnisse ohne Befristungsgrund nur dann abschließen, wenn mit diesem Arbeitnehmer noch niemals (!) zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ich rate daher aus Gründen der Vorsicht dazu, die Entscheidung des BAG mit der dreijährigen Karenzfrist zu ignorieren, obwohl ich eine solche Regelung im Ergebnis für sinnvoll und richtig halte.

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