Keine Sperrzeit trotz Aufhebungsvertrag mit Abfindung

Am 17. November 2014, von Michael Eckert

Bayrisches Landessozialgericht, Entscheidung vom 28. Februar 2013, L 9 AL 42/10

Die vorliegende Entscheidung berührt sowohl das Sozial- als auch das Arbeitsrecht, weshalb ich hierüber kurz berichten möchte: In einem Unternehmen wurden weitreichende Rationalisierungsmaßnahmen geplant, die zur Freistellung einer größeren Zahl von Arbeitnehmern führen sollten. Arbeitgeber und Betriebsrat hatten durch Interessenausgleich und Sozialplan hierfür eine Regelung getroffen. Diese sah vor, dass vom Ausscheiden betroffene Mitarbeiter für eine Übergangszeit in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (BEM) wechseln, dort nach einer bestimmten Übergangszeit ausscheiden und zusätzlich eine Abfindung erhalten sollten. Hierzu konnten sich auch Arbeitnehmer „freiwillig“ melden. Ein Arbeitnehmer war wegen seines Alters und seiner Betriebszugehörigkeit aufgrund einer entsprechenden Regelung im einschlägigen Tarifvertrag unkündbar. Trotzdem hatte er sich für diese Ausscheidensregelung entschieden. Er erhielt die festgelegte Abfindung gegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Hauptarbeitgeber. Nach der vorgesehenen Zeit in der BEM schied er dort endgültig aus und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Agentur für Arbeit entschied auf die Verhängung einer Sperrzeit, da das Ausscheiden freiwillig erfolgt sei, der Arbeitnehmer somit seine Arbeitslosigkeit selbst mitverursacht habe. Da er unkündbar gewesen sei, hätte ihm keine Entlassung gedroht. Dies rechtfertige die Sperrfrist.

Die Richter haben das anders gesehen. Sie haben insbesondere darauf hingewiesen, dass nach dem konkreten Tarifvertrag die „tarifliche Unkündbarkeit“ nicht grenzenlos gelte. Der Arbeitsvertrag hätte vom Arbeitgeber wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes vielmehr aus wichtigem Grund (außerordentlich) mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist gekündigt werden können. Damit wäre der Kündigungsschutz leer gelaufen. Allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten habe, führe nicht zu einer Sperrfrist, solange der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz nicht ohne Not geräumt hat. Letzteres war nicht der Fall, da er außerordentlich hätte gekündigt werden können.

Anmerkung:

Die Tatsache, dass eine Abfindung kein Argument für die Verhängung einer Sperrfrist sein kann, ergibt sich auch aus den internen Arbeitsunterlagen der Agentur für Arbeit. Dort ist ausdrücklich festgehalten, dass ein Arbeitnehmer ein Ausscheiden durch Unterzeichnung eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrages auch teilweise selbst herbeiführen kann, ohne dass es zu einer Sperrzeit kommt. Voraussetzung hierfür ist, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit seinem Einverständnis erfolgte, um Vorteile zu erlangen, die er ohne Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag nicht erlangt hätte.

Arbeitnehmer sind auch generell nicht gezwungen, gegen eine Kündigung gerichtlich vorzugehen, um eine Sperrfrist zu vermeiden. Dies wird nur dann verlangt, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam war und der Arbeitnehmer dies erkennen konnte.

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