Wirksame Betriebsratsanhörung, Vollmachtsnachweis

Am 29. April 2013, von Michael Eckert

BAG, Urteil vom 13. Dezember 2012; 6 AZR 348/11

In Betrieben, in denen ein Betriebsrat existiert, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer jeden Kündigung (auch während der Probezeit!) den Betriebsrat wirksam anhören und ihm sämtliche Informationen zur Verfügung stellen, über die auch der Arbeitgeber verfügt hat und die für die Kündigungsentscheidung und für die Sozialauswahl ggf. relevant sein könnten.

In der Praxis scheitern Kündigungen relativ oft an formal unwirksamen Betriebsratsanhörungen, so dass diesem Vorbereitungsschritt besondere Bedeutung beigemessen werden muss.

Im vorliegenden Fall hatte der Betriebsrat aber nicht eine fehlende oder möglicherweise inhaltlich unzureichende Anhörung des Betriebsrats gerügt, sondern vielmehr die Auffassung vertreten, die Person, die die Betriebsratsanhörung unterschrieben habe, sei hierzu rechtlich nicht befugt gewesen. Der Betriebsrat hatte sich dabei auf § 174 Satz 1 BGB gestützt: Nach dieser Vorschrift muss Jemand, der für einen anderen Erklärungen abgibt, in der Regel seine Vollmacht durch gleichzeitige (!) Vorlage einer originalen (!) Vollmachtsurkunde nachweisen. Fehlt ein solcher gleichzeitiger schriftlicher Vollmachtsnachweis, kann der Empfänger der Willenserklärung diese mangels eines Vollmachtsnachweises zurückweisen.

Besonders wichtig ist dies beispielsweise beim Ausspruch einer Kündigung: Hat hier ein Mitarbeiter unterschrieben, der weder alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer noch Prokurist ist und war dem Kündigungsschreiben auch keine originale Vollmacht eines Berechtigten beigefügt, kann der Empfänger des Kündigungsschreibens dieses unverzüglich mangels ausreichenden Vollmachtsnachweises zurückweisen. Die Kündigungserklärung wird dann nicht wirksam, was insbesondere bei fristlosen Kündigungen oder bei der Berechnung der Kündigungsfrist von erheblicher Bedeutung sein kann: Der Arbeitgeber muss dann ggf., sofern möglich, noch einmal wirksam kündigen.

Fraglich war aber vorliegend, ob die gleichen Regeln, die für den Ausspruch der Kündigung gelten, auch bei der Betriebsratsanhörung zu beachten sind. Hier zeigt sich aber das Bundesarbeitsgericht in der aktuellen Entscheidung etwas großzügiger:

Im vorliegenden Fall waren die Leitungsverhältnisse etwas kompliziert: Arbeitgeber war eine griechische Fluggesellschaft im Status einer sog. Sonderliquidation nach griechischem Recht. Als Sonderliquidatorin war eine griechische Aktiengesellschaft eingesetzt worden. Diese beauftragte einen Rechtsanwalt, den Betriebsrat zu einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung anzuhören. Der Betriebsrat hatte die vom Rechtsanwalt unterzeichnete Betriebsratsanhörung mangels eines schriftlichen Vollmachtsnachweises zurückgewiesen und erklärt, damit werde die Wochenfrist zur Anhörung nicht gewahrt, weshalb die später ausgesprochene Kündigung unwirksam sei.

Das BAG hat darauf hingewiesen, dass der Zweck des Anhörungserfordernisses ein ganz anderer sei, als formale Vollmachtsregelungen beim Zugang einer einseitigen Willenserklärung wie z. B. einer Kündigung. Dafür spreche auch, dass das Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG nicht an Formvorschriften gebunden sei. Auch eine mündliche oder telefonische Anhörung sei zulässig und ausreichend, um die Wochenfrist in Lauf zu setzen. Die Anhörung könne daher auch durch einen nicht sofort vollständig bevollmächtigten Boten oder Ähnliches erfolgen oder überbracht werden. Sofern der Betriebsrat Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung der ihm gegenüber bei der Anhörung auftretenden Person habe, könne er sich nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber – und nicht zwingend gegenüber den Boten oder (vermeintlichen) Vertreter – äußern.

Praxistipp:

Diese Entscheidung erleichtert die formalen Anforderungen einer Betriebsratsanhörung für Arbeitgeber. Bisher ist in der Regel immer die Frage gestellt worden, ob die Person, die die Anhörung durchgeführt hat, tatsächlich hierzu auch befugt war. Diese Fragen und Diskussionen dürften der Vergangenheit angehören: Wenn schon in einem so komplizierten Fall wie dem vorliegenden mit in der Tat sehr undurchsichtigen Vertretungsstrukturen eine von einem externen Rechtsanwalt durchgeführte Betriebsratsanhörung wirksam ist und den Beginn der Wochenfrist auslöst, muss dies doch erst recht dann gelten, wenn die Anhörung beispielsweise durch einen internen Personalleiter, einen Mitarbeiter der Personalabteilung, den laufend tätigen externen Arbeitsrechtsanwalt, den Vorgesetzten oder ähnliche Personen erfolgt: Diese stehen dem Arbeitgeber allemal näher, als der im vorliegenden Fall vom ausländischen Sonderliquidator beauftragte Rechtsanwalt ohne Vollmacht.

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