Betriebsbedingte Kündigung während der Kurzarbeit

Am 04. Februar 2013, von Michael Eckert

BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10

Bereits bisher war streitig, ob der Arbeitgeber dann kündigen kann, wenn im Betrieb kurzgearbeitet wird. Das BAG hat in der aktuellen Entscheidung die insoweit aufgeworfenen Fragen wie folgt beantwortet:

  • Für eine Beendigungskündigung ist immer ein dringendes betriebliches Erfordernis notwendig, d. h. es müssen Umstände vorliegen, die dauerhaft zu einer Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs führen.
  • Ist der Arbeitskräftebedarf nur vorübergehend reduziert, liegt kein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Beendigungskündigung (betriebsbedingte Kündigung) vor.
  • Der Arbeitgeber ist darlegungs- und beweisverpflichtet dafür, dass der Beschäftigungsbedarf dauernd oder zumindest auf absehbare Zeit reduziert ist.
  • Zwar gibt es die Möglichkeit, auch bei dauerhaft reduziertem Arbeitskräftebedarf Kurzarbeitergeld zu beantragen. Hierauf kann sich der Arbeitnehmer aber nicht berufen, da dem Arbeitgeber eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses trotz erwiesenermaßen dauerhaft reduziertem Arbeitskräftebedarf nicht zuzumuten ist, auch nicht in Form der Kurzarbeit.
  • An die Darlegungslast des Arbeitgebers sind hohe Anforderungen zu stellen. Dieser muss umfangreich und sorgfältig vortragen. Insbesondere muss sich aus seinem Vortrag ergeben, dass nicht nur eine kurzfristige Schwankung des Auftragseinganges o.ä. vorliegt. So muss der Arbeitgeber beispielsweise aktuelle Unternehmensdaten mit Daten aus vergangenen Perioden vergleichen und eine nachvollziehbare Zukunftsprognose anstellen.
  • Auch dann, wenn im Betrieb aufgrund der Beschäftigungsprobleme kurzgearbeitet wird, steht dies einer betriebsbedingten Kündigung nicht zwingend entgegen. Die Kurzarbeit ist jedoch in der Regel ein Indiz für einen nur vorübergehenden Beschäftigungsrückgang.

Richtig an der Entscheidung ist, dass die Durchführung von Kurzarbeit einer betriebsbedingten Kündigung nicht zwingend entgegensteht. Unrichtig ist das Urteil aus meiner Sicht aber insoweit, als der Kurzarbeit eine Indizwirkung für einen nur vorübergehenden Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeiten zugemessen wird: Zum einen haben sich die gesetzlichen Vorgaben für die Gewährung auch von Kurarbeitergeld zumindest vorübergehend dahingehend geändert, dass auch eine dauerhaft fehlende Beschäftigungsmöglichkeit der Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht entgegensteht. Damit hat die Bundesagentur für Arbeit es in der vergangenen Krise nach 2008 erreicht, dass eine Vielzahl von Arbeitsverträgen nicht gekündigt wurden und bis heute erhalten geblieben sind.

Darüber hinaus bedeutet die Einführung von Kurzarbeit im gesamten Betrieb nicht, dass alle von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitsplätze auch auf Dauer erhalten werden können. Hier ist vielmehr eine individuelle Betrachtung unabhängig von der Kurzarbeit notwendig und möglich.

Schließlich ist auch möglich, dass trotz Kurzarbeit Arbeitsplätze auf Dauer entfallen, weil das trotz Kurzarbeit immer noch zur Verfügung stehende Arbeitszeitvolumen über dem Bedarf liegt.

Nicht ausdrücklich entschieden hat das BAG die ebenfalls in der Literatur gestellte Frage, ob betriebsbedingte Kündigungen überhaupt zulässig sind, wenn der Arbeitgeber keinen Antrag auf Kurzarbeit gestellt hatte. Hierzu muss aber aus Sicht des Autors auch keine Klärung herbeigeführt werden, zumal bereits im Jahre 1986 vom BAG entschieden wurde, dass das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess die Anordnung von Kurzarbeit nicht zur Voraussetzung einer Kündigung machen darf. Dies ist auch angemessen, da mit einer Kurzarbeit für den Arbeitgeber erhebliche Probleme verbunden sind. Dies gilt nicht nur für die formale Aufrechterhaltung des möglicherweise nicht mehr benötigten und daher vielleicht sogar betriebsgefährdenden Arbeitsverhältnisses, sondern auch insoweit, als die Kurzarbeit der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, die Arbeitsagentur eingeschaltet werden muss und auch der Arbeitnehmer zustimmen muss.

Trotz alledem ist die Entscheidung für die Betriebspraxis sehr wichtig und positiv.

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