Vorsicht bei Befristung durch gerichtlichen Vergleich

Am 08. Oktober 2012, von Michael Eckert

BAG, Urteil vom 15. Februar 2012; 7 AZR 734/10

Für befristete Arbeitsverhältnisse sieht das Teilzeit- und Befristungsgesetz spezielle Einschränkungen vor, um aus Sicht des Gesetzgebers zu vermeiden, dass durch allzu weitgehende Befristung der zu Gunsten der Arbeitnehmer bestehende Kündigungsschutz unterlaufen wird.

Danach sind insbesondere Befristungen ohne Befristungsgrund nur bei Einhaltung der gesetzlich geregelten Voraussetzungen zulässig. Eine ganz spezielle Ausnahme von diesem Grundsatz enthält § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Diese Vorschrift regelt eigentlich Befristungen mit Befristungsgrund. Diese Vorschrift regelt an dieser Stelle etwas unsystematisch jedoch eine Befristung, bei der es auf einen Befristungsgrund nicht ankommt und die auch ohne Befristungsgrund zulässig ist:

Eine Befristung ist danach immer dann zulässig, wenn sie im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs zustande gekommen ist.

Zwingend ist insoweit, dass es sich um einen gerichtlichen Vergleich handelt. Außergerichtliche Vergleiche sind hiervon nicht betroffen.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Vorschrift nun einschränkend ausgelegt. Das Urteil hat für die tägliche Gerichtspraxis eine sehr große Bedeutung:

Immer häufiger werden bei arbeitsgerichtlichen Verfahren Vergleiche nicht in mündlicher Verhandlung, sondern im schriftlichen Verfahren geschlossen. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich über eine Vertragsbeendigung gegen Zahlung einer Abfindung eigentlich weitgehend einig sind, jedoch keinen außergerichtlichen Aufhebungsvergleich oder Abwicklungsvertrag schließen können, da dies eine Sperrfrist beim Bezug von Arbeitslosengeld zur Folge hätte.

Mitunter erhebt ein Arbeitnehmer in solchen Fällen nach einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Beendigungskündigung Kündigungsschutzklage, es kommt sodann zu einer Einigung und diese wird zur Vermeidung einer mündlichen Verhandlung oder eines Gütetermins von den Anwälte bei Gericht schriftlich eingereicht mit der Bitte, das Zustandekommen des Vergleichs durch einen Beschluss im schriftlichen Verfahren festzustellen. Dies ist dann ein echter gerichtlicher Vergleich, auch wenn er von den Parteien nicht in mündlicher Verhandlung ausgehandelt worden ist.

Geregelt wird ein solcher Vergleich im schriftlichen Verfahren in § 278 Abs. 6 ZPO. Dort wird allerdings zwischen zwei Arten eines solchen gerichtlichen Vergleichs unterschieden:

Zum einen (§ 278 Abs. 6 Satz 1 Erste Alternative ZPO) kommt ein Vergleich danach auf übereinstimmende Mitteilung der Prozessvertreter der Parteien zustande.

Im zweiten Fall (§ 278 Abs. 6 Satz 1 Zweite Alternative ZPO) kann ein Vergleich auf Vorschlag des Gerichts zustande kommen, den beide Parteien dann annehmen müssen.

In der Praxis wurde insoweit bislang kein großer Unterschied gemacht. Die erste Variante (auf übereinstimmende Mitteilung der Parteien) hat in der Regel das gerichtliche Verfahren abgekürzt.

Das BAG hat aber nunmehr entschieden, dass ein solcher nach der erstgenannten Alternative zustande gekommener Vergleich kein gerichtlicher Vergleich im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes sei. Dies hat zur Folge, dass Vergleiche, die außergerichtlich ausgehandelt und dann von den Parteien bzw. Prozessvertreter übereinstimmend dem Gericht zur Feststellung im Beschlusswege mitgeteilt worden sind, nicht geeignet sind, ein Arbeitsverhältnis wirksam zu befristen. Besonders gefährlich ist insoweit, dass mangels einer wirksamen Befristung dann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorliegt. Die von den Parteien mit Vergleichsschluss beabsichtigte endgültige Erledigung des Rechtsstreits ist in einem solchen Fall dann nicht eingetreten. Es fehlt an einer wirksamen Beendigung in Form einer Befristung. Das Arbeitsverhältnis setzt sich dann über den ursprünglich vorgesehenen Beendigungszeitpunkt hinaus auf unbestimmte Zeit fort.

Eine wirksame Befristung durch gerichtlichen Vergleich im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 ZPO kann aus Sicht des BAG somit nur dann in Betracht kommen, wenn das Gericht den Vergleich vorgeschlagen hat und die Parteien den gerichtlichen Vorschlag angenommen haben.

In der Praxis dürfte dies letztlich nicht viel ändern. In Zukunft muss bei gerichtlichen Vergleichen, bei denen eine Befristung im Raume stehen könnte, darauf geachtet werden, dass die Parteien lediglich Vergleichsanregungen geben und das Gericht bitten, einen bestimmten Vergleichswortlaut wiederum den Parteien vorzuschlagen, die diesen (dann richterlichen) Vergleichsvorschlag annehmen können. Auch dies ist jeweils im schriftlichen Verfahren möglich.

Nimmt der zwischen den Parteien in der Regel ausgehandelte Vergleich somit den „Umweg“ über den Richter, der diesen als eigenen Vergleich wiederum den Parteien vorschlägt, kommt eine wirksame Befristung zustande.

Praxistipp:

Oft finden sich in gerichtlichen Vergleichen Befristungen nicht in direkter offener Formulierung, sondern eher versteckt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis gegenüber der ursprünglich vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung im Vergleichswege verlängert wird, also beispielsweise die Kündigungsfrist verlängert oder dem Arbeitnehmer eine soziale Auslauffrist gewährt wird. Nicht selten findet sich eine Verlängerung des vom Arbeitgeber gekündigten Arbeitsverhältnisses über den ursprünglichen Kündigungszeitpunkt hinaus auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten möchte, sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus zu bewerben. Oft wird eine solche Vertragsverlängerung dann mit einer Freistellung verbunden. Eventuell finanziell angedachte Abfindungen werden dann in eine entsprechende Anzahl von Monatsvergütungen umgerechnet. All diese Gestaltungen können nach der Rechtsprechung als Befristung des Arbeitsverhältnisses ausgelegt werden.

Im Zweifelsfall sollte daher bei Vergleichsabschlüssen im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 ZPO der Richter den Parteien einen – oft von diesen erarbeiteten – Vergleich ausdrücklich vorschlagen, um der geschilderten neuen Rechtsprechung des BAG Rechnung zu tragen.

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