BAG, Urteil vom 16. Februar 2012, 8 AZR 697/10

Öffentliche Arbeitgeber müssen nach § 82 Satz 2 SGB IX schwerbehinderte Menschen, die sich auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben und dabei ihre Schwerbehinderteneigenschaft mitteilen, zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Eine unterbliebene Einladung ist ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Eine Einladung ist nur dann entbehrlich, wenn dem Bewerber offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle fehlt.

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber, der zum Bereich des öffentlichen Dienstes zählt, eine Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter geschlossen. Nach dieser Vereinbarung sollten Schwerbehinderte gefördert werden. Von der Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Vorstellungsgespräch sollte aber dann abgesehen werden, wenn zwischen der Zentralabteilung, der Schwerbehindertenvertretung und der Gleichstellungsbeauftragten Einvernehmen dahingehend bestehe, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht komme.

Dies hatte der Arbeitgeber zum Anlass genommen, einen schwerbehinderten Bewerber
(60 %) nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Dieser klagte auf Entschädigung nach dem AGG, da er sich aufgrund seiner Schwerbehinderteneigenschaft nachteilig fühlte.

Das BAG hat den Arbeitgeber zu einer Entschädigungszahlung verurteilt. Es hat dabei festgestellt, dass die Integrationsvereinbarung das Recht eines schwerbehinderten Bewerbers auf ein Vorstellungsgespräch nicht einschränken kann. Insbesondere kann eine solche interne Vereinbarung keine weitergehenden Möglichkeiten zum Verzicht auf ein Vorstellungsgespräch einräumen, als sie sich ohnehin aus dem Gesetz ergeben. Das BAG weist darauf hin, dass § 82 Satz 3 SBG IX eine abschließende Regelung darstellt. Danach darf ein Vorstellungsgespräch nur dann entfallen, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

Der Arbeitgeber ist dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass das Fehlen der Eignung offensichtlich ist. Herangezogen dürfen insoweit in der Regel lediglich die veröffentlichten Bewertungskriterien.

Wird beispielsweise für eine bestimmte Stelle vorgeschrieben, dass bestimmte Sprachkenntnisse erforderlich sind, ist dies auch tatsächlich der Fall und ergibt sich aus der Bewerbung, dass ein schwerbehinderter Bewerber über diese Sprachkenntnisse nicht verfügt, muss ein Vorstellungsgespräch nicht stattfinden. Entsprechendes gilt dann, wenn sich bestimmte Stellenkriterien zwar nicht aus der Ausschreibung unmittelbar ergeben, sie jedoch wiederum offensichtlich für die zu besetzende Stelle erforderlich sind. Beispielhaft kann hier eine bestimmte Berufsausbildung oder Prüfung genannt werden oder Kenntnisse etwa der hebräischen bzw. arabischen Sprache, wenn eine Stelle im Bereich der Religionsforschung für die jüdische oder islamische Religion ausgeschrieben wird.

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