BAG, Urteil vom 23. Januar 2019, 7 AZR 733/16:

 

14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) sieht vor, dass die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes dann nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diese gesetzliche Regelung enthält keine festen zeitlichen Grenzen.

Ich hatte bereits darüber berichtet, dass das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2011 in die Vorschrift trotzdem eine zeitliche Befristung hineingedeutet hatte, nämlich von drei Jahren. Danach sollten Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung nicht verhindern.

Wie ebenfalls bereits berichtet, hat aber das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 06. Juni 2018 (1 BvL 7/17, 1 BvR 1375/14) dieser richterlichen Rechtsbildung des BAG ein Ende bereitet. Rechtlich zutreffend (aber für die Praxis bedauerlich) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass Fachgerichte zwar Gesetze auslegen, nicht jedoch Recht originär setzen können. Zu letzterem sind nur die Parlamente berufen. Im Rahmen der Gewaltenteilung dürfen Gerichte auch bei einer äußerst bedauerlichen Untätigkeit des Gesetzgebers nicht als „Ersatzgesetzgeber“ auftreten. Die Festlegung einer starren Dreijahresfrist war daher unzulässig.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Praxis aber ein kleines „Hintertürchen“ geöffnet:

Soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sei, weil beispielsweise die Gefahr einer Kettenbefristung „in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten“ nicht bestehe und daher das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, könne im Einzelfall eine Vorbeschäftigung unschädlich sein.

Mit anderen Worten: Das im Einzelfall angerufene Gericht muss prüfen, ob die im konkreten Fall gegebenenfalls vorliegende Vorbeschäftigung zu einer Unwirksamkeit der Befristung führt. Maßstäbe, die hier angelegt werden könnten, fehlen jedoch leider. Auch der Hinweis, dass das Verbot der sachgrundlosen Befristung dann unzumutbar sei, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege, ganz anders geartet war als das aktuelle Arbeitsverhältnis oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei, hilft in der Praxis letztlich nicht weiter, da die hier vorgegebenen Kriterien nicht nachvollziehbar und nicht zu verallgemeinern sind.

Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall:

Hier lag das vorangegangene Arbeitsverhältnis acht Jahre zurück. Dies wird vom BAG als „nicht sehr lange“ angesehen. Schon daran scheitert die Wirksamkeit der jetzt vorgenommenen sachgrundlosen Befristung mit dem Ergebnis, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestehe.

Wie zu erwarten war, räumt das Bundesarbeitsgericht auch gleich mit dem aktuell anzutreffenden Gerücht auf, Arbeitgeber hätten auf die im Jahr 2011 ergangene BAG-Entscheidung mit der festen Frist von drei Jahren vertrauen dürfen. Hier teilt das BAG mit, dass Arbeitgeber bei Abschluss der Verträge jedenfalls die Möglichkeit hätten in Betracht ziehen müssen, dass die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte. Dies ist natürlich ein Widerspruch in sich. Einerseits ist von einer „verfassungskonformen Auslegung“ auszulegen, andererseits soll der Arbeitgeber in Betracht ziehen, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden könnte.

Anmerkung:

Arbeitsrechtlich gut beratene Arbeitgeber haben in der Tat nie auf die Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2011 vertraut. Wer als Jurist die damalige Entscheidung des BAG gelesen hat, konnte die Verärgerung über den untätigen Gesetzgeber angesichts einer völlig unsinnigen gesetzlichen Regelung deutlich spüren. Gleichzeitig war aber klar, dass das BAG hier den Pfad der Rechtsauslegung verlassen und sich auf den verbotenen Pfad der Rechtsetzung gemacht hatte. Daher waren Arbeitgeber gut beraten, wenn sie bei einer Vorbeschäftigung, egal wie lange diese zurücklag, keinen befristeten Vertrag ohne Befristungsgrund abgeschlossen haben.

Wie ist nun die aktuelle Situation?

Grundsätzlich ist hier weiterhin allergrößte Vorsicht geboten.

Die vorliegende Entscheidung zeigt, dass noch nicht einmal ein Zeitraum von acht Jahren als „lang“ angesehen wird, mit der Folge, dass auch eine so lange zurückliegende Vorbeschäftigung zur Unwirksamkeit einer aktuell vereinbarten sachgrundlosen Befristung führt.

Wann nun aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts eine Vorbeschäftigung „sehr lange zurückliegt“ bleibt nach wie vor offen. Ebenfalls völlig offen ist, was damit gemeint ist, dass das damalige Arbeitsverhältnis und das aktuelle Arbeitsverhältnis „ganz anders geartet“ sein müssten. Unklar ist auch, wann davon die Rede sein kann, dass das ehemalige Arbeitsverhältnis „von sehr kurzer Dauer“ gewesen ist.

Möglicherweise ist mit den genannten drei Kriterien der seminartypische Beispielfall für die Unsinnigkeit der gesetzlichen Regelung gemeint: Ein 50jähriger Bewerber konnte für die als sachgrundlose Befristung ausgeschriebene Stelle nicht berücksichtigt werden, da er im zarten Alter von fünfzehn Jahren einmal zwei Wochen im Rahmen eines Ferienjobs beim gleichen Arbeitgeber mit Rasenmähen und Keller aufräumen beschäftigt war, um sich den bevorstehenden Kauf eines Mopeds zu finanzieren. Solche Fälle werden aber in der Praxis selten vorkommen.

Daher sei Arbeitgebern trotz der beiden neuen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts dringend angeraten, bei praktisch jeder Vorbeschäftigung auf eine Anstellung durch sachgrundlos befristeten Vertrag zu verzichten.

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