Überwachung am Arbeitsplatz (3)

Am 18. Dezember 2017, von Michael Eckert

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. April 2017 – Az: 5 Sa 449/16

Eine unzulässige Überwachung des Arbeitnehmers – auch am Arbeitsplatz – kann die Persönlichkeitsrechte verletzten und den Arbeitgeber zu einer Entschädigung verpflichten.

Das Landesarbeitsgericht Rheinlandpfalz hat in dem hier entschiedenen Fall dem von einer Überwachung am Arbeitsplatz betroffenen Arbeitnehmer wegen der dort gesehenen Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Entschädigung in Höhe von € 10.000,00 zugesprochen.

Was war geschehen:

Der klagende Arbeitnehmer war Vorsitzender des Betriebsrates und außerdem Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates. Zwischen ihm und dem Arbeitgeber gab es seit 2014 Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet sei, ihn für die Betriebsratstätigkeit vollständig von der beruflichen Tätigkeit freizustellen.

In der Folge hatte dann der Arbeitgeber eine Detektei beauftragt, den Kläger ausschließlich im Rahmen seiner Berufstätigkeit und während der Arbeitszeit, ohne Telefon- oder Mailüberwachung zu beobachten um festzustellen, ob dieser möglicherweise während der Arbeitszeit einer Nebentätigkeit nachgehe und damit Arbeitszeitbetrug begehe.

Das Landesarbeitsgericht war vorliegend von einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Arbeitgeber ausgegangen, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger fotografiert oder gefilmt worden sein sollte und auch unabhängig davon, dass die Detektei und der Arbeitgeber bei der Observation des Arbeitnehmers keine Straftaten begangen haben. Entscheidend für die Richter war u.a. die von dort als sehr lang angesehene Dauer der Observierung von zwanzig Arbeitstagen. Es heißt in dem Urteil wörtlich:

            „Diese lange Dauer der Überwachung ist für die Intensität des Eingriffs von großer Bedeutung.“

Das LAG stellt darauf ab, dass die heimliche Observation durch Strafverfolgungsbehörden nach § 163 f. StPO über einen längeren Zeitraum unter Richtervorbehalt stehe, also nur von einem Richter angeordnet werden könne. Daraus werde die Bedeutung einer langen Überwachungsdauer für die Intensität des Eingriffs deutlich. Dem Arbeitgeber dürften nicht weitergehende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zugestanden werden, als sie staatlichen Organen zustünden.

Ebenfalls als verwerflich haben die Richter die Tatsache angesehen, dass die heimliche Observation drei Wochen nach Einreichung eines arbeitsgerichtlichen Antrag im Beschlussverfahren gegen diesen Mitarbeiter durchgeführt wurde. Für die heimliche Überwachung des Arbeitnehmers parallel zum arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gab es aus Sicht des Gerichts keine hinreichende Rechtfertigung. Das Beschlussverfahren diente der Feststellung, dass der Arbeitnehmer nicht generell von der Arbeit freizustellen sei. Dieses Beschlussverfahren hat der Arbeitgeber gewonnen.

Weiterhin verstoße die heimliche Überwachung auch gegen betriebsverfassungsrechtliche Schutzbestimmungen, da hierdurch eine Störung oder Behinderung der betriebsrätlichen Tätigkeit gegeben sei.

Schließlich habe der Arbeitgeber nicht vorgetragen, welche konkreten Anhaltspunkte für den Verdacht einer Zweitbeschäftigung des Klägers während der Arbeitszeit vorlagen.

Daher sei eine Geldentschädigung in Höhe von € 10.000,00 angemessen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig, da das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 09. August 2017 (AZN 536/17) die Nichtzulassungsbeschwerde verworfen hat.

Anmerkung:

Vorliegend sind einige Aspekte zusammen gekommen, trotzdem erscheint die nur recht kurz begründete Entscheidung fraglich.

Zu Lasten des Arbeitgebers sprach hier, dass offensichtlich keine konkreten Verdachtsmomente für einen Arbeitszeitbetrug vorlagen, jedenfalls sind sie im Verfahren nicht vorgetragen worden. Hinzu kommt, dass der überwachte Arbeitnehmer Betriebsratsvorsitzender und Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates war, so dass auch erhebliche betriebsverfassungsrechtliche Aspekte eine Rolle gespielt haben. Es ist sicherlich einfacher, einen Arbeitnehmer zu überwachen, der kein Betriebsratsamt inne hat und mit dem man nicht ohnehin über das Thema „Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeit“ streitet.

Eine Überwachung von zwanzig Tagen erscheint mir aber nicht als zu lange, um hieraus eine Persönlichkeitsrechtsverletzung abzuleiten. Ist eine Überwachung wegen vorliegender konkreter Verdachtsmomente (!) grundsätzlich zulässig, kann es schon einige Tage dauern, bis sich ein Verdacht entweder bestätigt oder er widerlegt werden kann. Vergleiche mit umfassenden „Rund-Um-Die-Uhr-Observationen“ durch die Polizei sind hier aus meiner Sicht verfehlt.

Nicht schlüssig ist in meinen Augen auch der Vorwurf, der Arbeitgeber habe parallel zum arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren eine Überwachung veranlasst. Hierin ist aus meiner Sicht keine besondere Verwerflichkeit zu sehen, zumal der Arbeitgeber ja ohnehin bei Arbeitszeitbetrug ein erhebliches Beweisproblem hat.

Im Ergebnis zeigt sich aber auch an dieser Entscheidung, wie hoch die Hürden zu einer zulässigen Überwachung von Arbeitnehmern sind und dass Fehler in diesem Bereich sogar zu einer erheblichen Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers führen können.

Erfolgt die Überwachung eines Betriebsratsvorsitzenden dann auch noch ohne (im Verfahren ersichtlichen) Grund, reagieren die Gerichte besonders empfindlich.

 

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