BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – Az: 1 ABR 7/15

In dem hier entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber zu Werbe- und Kommunikationszwecken eine Facebookseite eingerichtet. Teil dieser Seite war u.a. auch eine Besucherseite, auf der über die Funktion „Besucher-Beiträge“ Postings zum Verhalten und zur Leistung der beim Arbeitgeber beschäftigten Mitarbeiter eingestellt werden konnten.

Hiergegen hat sich der Konzernbetriebsrat gewandt und u.a. die Auffassung vertreten, bei der Facebookseite handele es sich um eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer im Sinne des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt sei. Daher unterliege zumindest die Funktion der „Besucher-Beiträge“ der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Das Bundesarbeitsgericht hat ihm insoweit Recht gegeben. Die Freischaltung dieser Funktion auf der vom Arbeitgeber betriebenen Facebookseite ermögliche eine Überwachung des Verhaltens und der Leistung der dort beschäftigten Arbeitnehmer.

Das Internet und auch diese Facebookseite würden eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG darstellen. Regelungszweck dieser Vorschrift sei es, Arbeitnehmer vor einer Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts mittels Einsatzes technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, soweit nicht schützenswerte Belange des Arbeitgebers dies rechtfertigen und sich als verhältnismäßig erweisen.

Für eine Überwachung im Sinne der Vorschrift sei es, so das BAG, nicht erforderlich, dass die Daten über das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern von der technischen Einrichtung selbst – quasi automatisch – erhoben werden. Es sei ausreichend, wenn die Daten manuell eingegeben werden, wenn sie zumindest anschließend gespeichert werden und ein Zugriff möglich ist. Dies sei vorliegend gegeben, weshalb ein Mitbestimmungsrecht bestehe.

Anmerkung:

Die Entscheidung ist aus meiner Sicht nicht richtig. Sie überzeichnet die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und passt auch insgesamt nicht in das Mitbestimmungsgefüge.

Allerdings steht dieses Urteils in Übereinstimmung mit der ohnehin sehr weiten Auslegung der Vorschrift des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG durch die Rechtsprechung. Dort ist nämlich davon die Rede, dass nur technische Einrichtungen betroffen sind, die zur Überwachung der Arbeitnehmer „bestimmt“ sind. Nach dem Wortlaut würden hierunter nicht solche Einrichtungen fallen, die zu einem anderen Zweck bestimmt sind, jedoch möglicherweise als Nebeneffekt eine Überwachung von Arbeitnehmern erlauben. Die Rechtsprechung legt die Vorschrift jedoch entgegen deren Wortlaut sehr weit aus. Erfasst werden schon immer technische Einrichtungen, die auch nur geeignet sind, Arbeitnehmer zu überwachen.

Über diese eigentlich gegen das geschriebene Gesetz verstoßende Rechtsprechung geht die aktuelle Entscheidung jedoch nochmals hinaus. Sie verstößt daher aus meiner Sicht noch weitergehend gegen geschriebenes Recht, wozu das BAG eigentlich nicht berechtigt ist. Es handelt sich um eine Auslegung contra legem.

Es ist nämlich nicht die technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer bestimmt oder geeignet ist. Vielmehr sind es die Kunden und Geschäftspartner des Unternehmens, die ihre eigenen Kommentare zu Arbeitnehmern abgeben. Es findet also auch keine automatische Erfassung statt, sondern ein händischer Eintrag subjektiver Meinungen. Dies ist bisher auch in der Rechtsprechung des BAG noch nie als Anwendungsbereich des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG angesehen worden.

Letztlich ist die Möglichkeit, Besucherbeiträge auf der Facebookseite abzugeben, nichts anderes als eine Art elektronischer Kummerkasten oder Briefkasten. Ebenso wie Kunden eventuelle Beschwerden über Mitarbeiter als Postbrief, Fax, Mail o.ä. an das Unternehmen richten können, wird hier eben eine Übermittlungsfunktion via Facebook genutzt. Entscheidend für die Anwendung des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG ist aber nicht der Übermittlungsweg (analog oder digital), sondern die Erfassung.

Die Grundsätze des vorliegenden Urteils konsequent umgesetzt würde bedeuten, dass auch die Weitergabe einer Telefaxnummer oder einer E-Mail-Adresse, um Kundenkommentare zu erhalten, gegen die Vorschrift verstoßen würde.

In die gleiche Richtung geht beispielsweise die Kontaktfunktion auf einer Internethomepage, die es ermöglicht, auf diese Weise mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten oder google Bewertungen.

Es ist allgemein zu bedauern, dass das geschriebene Recht gerade im Bereich des Arbeitsrechts nicht mehr sehr viel zählt. Zum einen setzt sich die Rechtsprechung darüber hinweg, zum anderen weigert sich der Gesetzgeber, längst fällige Gesetzesänderungen, z.B. aufgrund bindender Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, umzusetzen. Wie soll sich ein Unternehmer hier noch gesetzeskonform verhalten, wenn eine Ausrichtung am eindeutigen Gesetzeswortlaut in die Irre führt?

 

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