BAG, Beschluss vom 28. Juli 2016, Az: 2 AZR 746/14 (A)

Bei insbesondere katholischen kirchlichen Organisationen gibt es immer wieder arbeitsrechtliche Probleme, die daraus resultieren, dass gerade die katholische Kirche von ihren Mitarbeitern die Beachtung des katholischen Glaubensverständnisses fordert. Bei kirchlichen Arbeitgebern kann es sich auch um einen Tendenzbetrieb handeln, für den teilweise besondere arbeitsrechtliche Regeln gelten.

Im vorliegenden Fall war der katholische Arbeitnehmer als Chefarzt in einem katholischen Krankenhaus tätig. Im Dienstvertrag hatten die Parteien die Geltung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des katholischen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse aus dem Jahr 1993 vereinbart. Dort ist vorgesehen, dass der Abschluss einer nach dem katholischen Glaubensverständnis ungültigen Ehe einen schweren Loyalitätsverstoß darstellt, der eine Kündigung rechtfertigen kann. Eine Weiterbeschäftigung ist nach diesen Regeln immer schon dann ausgeschlossen, wenn ein solcher Loyalitätsverstoß von einem leitenden Mitarbeiter begangen wird. Dazu zählen nach kirchlichem Recht auch Chefärzte.

Nach Scheidung von seiner ersten Ehefrau heiratete der Kläger im Jahr 2008 ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem der Arbeitgeber hiervon erfahren hatte, kündigte er mit Schreiben vom 30. März 2009 das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 30. September 2009. Hiergegen hat der Arbeitnehmer geklagt.

Die Frage, ob und gegebenenfalls welche Verstöße gegen Kirchenrecht die Kündigung eines (weltlichen) Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können, ist seit langem umstritten und Gegenstand von Einzelfallentscheidungen. Nicht jeder Verstoß gegen kirchliche Vorschriften rechtfertigt die Kündigung jedes kirchlichen Arbeitsverhältnisses. Hier muss eine Abwägung stattfinden, bei der die Schwere des Verstoßes gegen kirchliches Arbeitsrecht einerseits und die Position des Arbeitnehmers andererseits zu berücksichtigen sind. Grundsätzlich gilt: Je näher Mitarbeiter dem sogenannten Verkündigungsbereich der Kirche stehen, je eher also die Vermittlung gerade des Glaubensbekenntnisses Teil ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben ist, desto eher kann von ihnen auch eine unbedingte Loyalität gegenüber den kirchlichen Regelungen gefordert werden.

Auch bei Arbeitnehmern, die zwar nicht im Verkündigungsbereich tätig sind, die als Vorgesetzte jedoch Vorbildcharakter haben, kann sicherlich eine gesteigerte Loyalität verlangt werden.

Die Frage, ob der Abschluss einer nach katholischem Glaubensverständnis nicht wirksamen zweiten Ehe beim Chefarzt eines Krankenhauses eine Kündigung grundsätzlich rechtfertigen kann, stand vorliegend nicht im Mittelpunkt der rechtlichen Erörterung. Als wesentlich hat das Bundesarbeitsgericht vorliegend die Frage angesehen, ob hier ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt:

Der Arbeitnehmer hatte eingewandt, er als katholischer Chefarzt wäre gegenüber evangelischen Chefärzten benachteiligt und schlechter behandelt: Bei evangelischen Chefärzten bleibe eine Wiederverheiratung nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes ohne arbeitsrechtliche Folgen. Ihm als katholischen Chefarzt sei dagegen gekündigt worden. Er sieht hier eine unzulässige Diskriminierung und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Chefarzt Recht gegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Die gleiche Entscheidung hatte zunächst auch das Bundesarbeitsgericht getroffen. Allerdings hat dann das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung aufgehoben und den Fall an das BAG zurückverwiesen. Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts war die verfassungsmäßige Rolle der Kirchen hier nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Das BAG hat jedoch nunmehr keine eigene Entscheidung getroffen, sondern den Fall zur Beantwortung einer Vorfrage an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Dabei soll es in erster Linie um die Frage der Gleichbehandlung gehen. Für das BAG ist entscheidend, ob Kirchen nach dem Recht der Europäischen Union „bei einem an Arbeitnehmer in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten unterscheiden dürfen zwischen Arbeitnehmern, die dieser Kirche angehören und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören“.

Diese Frage der Gleichbehandlung hat in der Praxis eine sehr große Bedeutung. Längst sind Zeiten vorbei, in denen beispielsweise an katholischen Krankenhäusern nur Katholiken arbeiten durften. Hier arbeiten Menschen aller Glaubensrichtungen. Fraglich ist dann aber, ob an die Angehörigen der eigenen Glaubensrichtung strengere Maßstäbe angelegt werden dürfen als an Arbeitnehmer mit anderem Glauben. Eine Rolle dürfte dabei auch die Frage spielen, dass die Frage, welcher Glaubensrichtung ein Chefarzt angehört, in der Praxis häufig gar nicht bekannt ist und das beispielgebende Verhalten eines Vorgesetzten von anderen Beschäftigten in der Regel auch nicht danach differenziert wird, welchem Glauben dieser angehört.

Über die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs werde ich hier berichten. Wichtig ist in jedem Fall, dass das Thema Gleichbehandlung in der Praxis hier eine wesentlich größere Rolle spielt, als dies bei früheren Entscheidungen noch der Fall war.

 

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