Kein Geld für AGG-Hopper

Am 24. Oktober 2016, von Michael Eckert

EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016, Rechtssache C-423/15,

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hatte zwar längst nicht die gravierenden Auswirkungen, die man im Zuge der Gesetzgebungsdiskussion befürchtet hatte. Ärgerlich ist dieses Gesetz aber allemal, zumal nur ein recht willkürlich erscheinender Teil möglicher Diskriminierung geregelt wird und sich in dem Gesetz auch noch eine Reihe von gravierenden handwerklichen Fehlern finden. So wird zwar ausführlichst definiert, was eine sexuelle Belästigung sein soll, es findet sich aber keine Definition derjenigen Aspekte, die eine Diskriminierung überhaupt darstellen sollen, also der wichtigsten Punkte des Gesetzes.

Hinzu kommt, dass das Gesetz auch noch eine äußerst unangenehme „Berufsgruppe“ hervorgebracht hat, nämlich die sogenannten „AGG-Hopper“, auch als „Berufsbewerber“ bezeichnet: Dies sind Menschen, die sich auf Stellenanzeigen mit dem Wissen bewerben, höchstwahrscheinlich nicht genommen zu werden. Dies ist auch das Ziel der Bewerbung, die einzig und allein dazu dient, nach möglichen Diskriminierungsmerkmalen zu suchen und den Arbeitgeber mit Zahlungsforderungen zu „erpressen“. Hier handelt es sich beileibe nicht nur um Jurastudenten, die sich auf Sekretärinnenarbeitsplätze bewerben!

Nicht immer lässt sich dann, wenn Entschädigungen nach dem AGG geltend gemacht werden, für den betroffenen Arbeitgeber belegen, dass es sich um einen AGG-Hopper handelt, zumal eine Homepage, bei der bis vor einigen Jahren Arbeitgeber „verdächtige“ Bewerber melden konnten, aus rechtlichen Gründen wieder abgeschaltet werden musste.

Arbeitgebern, die sich Entschädigungsforderungen nach dem AGG ausgesetzt sehen, sollten unbedingt anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Inzwischen hat nämlich auch der Europäische Gerichtshof entschieden, dass „Scheinbewerber“ keinen Entschädigungsanspruch haben.

In dem entschiedenen Fall hatte eine Versicherung eine Stelle ausgeschrieben. Als Einstellungsvoraussetzung wurde ein „zeitnaher und sehr guter Hochschulabschluss“ genannt. Hierauf hatte sich der Kläger beworben, der Rechtsanwalt war und das 30. Lebensjahr bereits vollendet hatte. In der Bewerbung hatte er mitgeteilt, er verfüge als Rechtsanwalt und ehemaliger Leitender Angestellter über Führungserfahrung, obwohl eine Nachwuchsstelle ausgeschrieben war. Nicht ganz überraschend wurde der Bewerber abgelehnt, ohne dass ein Vorstellungsgespräch geführt worden war. Der Bewerber verlangte daraufhin eine Entschädigung in Höhe von € 14.000,00 und berief sich auf eine angebliche Altersdiskriminierung. Der Hinweis auf einen zeitnahen Hochschulabschluss lege nahe, dass nur junge Bewerber eingestellt werden sollten und er daher mit einem Lebensalter Ende dreißig diskriminiert werde. Später erfuhr der Bewerber dann, dass die vier fraglichen Stellen ausschließlich mit vier Frauen besetzt worden waren, obgleich sich etwa in gleicher Zahl Frauen und Männer beworben hatten. Daraufhin verlangte er eine weitere Entschädigung in Höhe von € 3.500,00 aufgrund einer behaupteten Geschlechterdiskriminierung.

Das Unternehmen konnte ausfindig machen, dass der Bewerber sich in ähnlicher Weise auch bei einigen anderen Firmen beworben hatte und mit seiner Entschädigungsforderung auch teilweise Erfolg hatte.

Als das Unternehmen daraufhin die Zahlung verweigerte, hat der Bewerber geklagt und zunächst durch alle deutschen Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht verloren. Die Arbeitsrichter gingen davon aus, dass der Anwalt sich nur deshalb beworben habe, um abgelehnt zu werden und dann eine Entschädigung geltend zu machen. Dies sei keine echte, ernstgemeinte Bewerbung, sondern ein missbräuchliches Vorgehen, das von Recht und Gesetz nicht geschützt werde. Das Gesetz diene nur dem Schutz ernsthafter Bewerber.

In diesem Punkt hat der Europäische Gerichtshof nunmehr die Sicht des BAG bestätigt: Wer nicht wirklich ernsthaft eine Stelle suche, sondern sich nur bewerbe, um Entschädigungsansprüche aus einer (beabsichtigten) Ablehnung geltend machen zu können, kann sich nicht auf das Antidiskriminierungsgesetz oder die vier Antidiskriminierungsrichtlinien der EU berufen.

Die Frage, ob tatsächlich eine ernsthafte Bewerbung vorlag, muss nun nochmals das BAG konkret prüfen.

Mit der Entscheidung des EuGH liegt nun erfreulicherweise eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung des BAG vor. Trotzdem wird es für den Arbeitgeber immer noch schwer sein, zu beweisen, dass die Bewerbung nicht ernsthaft erfolgte. Häufig werden Bewerber, die sich an verschiedenen Stellen beworben haben, argumentieren, sie würden „eine neue Herausforderung“ suchen und müssten sich daher auf möglichst viele Stellen bewerben, um letztlich in einem Fall Erfolg zu haben.

Arbeitgebern sei trotz dieser mutmachenden Klarstellung durch den EuGH dringend geraten, sämtliche Stellenanzeigen vor deren Veröffentlichung arbeitsrechtlich prüfen zu lassen. Dies – unabhängig von den damit verbundenen Kosten – schon um eine langjährige und im Ausgang möglicherweise unsichere rechtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

 

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