LAG Düsseldorf, Urteil vom 22. Dezember 2015, Az:13 Sa 957/15

Es kann eigentlich gar nicht anders sein, dass eine Entscheidung, die den Karneval betrifft, von einem rheinischen Landesarbeitsgericht stammt, hier aus Düsseldorf: Ein seit 1987 beim gleichen Arbeitgeber beschäftigter Mitarbeiter nahm an der Weiberfastnacht 2015 an einer auf dem Betriebsgelände stattfindenden Karnevalsfeier teil. Wer rheinische Karnevalssitten kennt, weiß, dass es zu den wichtigsten Aufgaben der Frauen gehört, den Männern an diesem Tag die Krawatte abzuschneiden. Dies sahen auch zwei Mitarbeiterinnen des gleichen Unternehmens so, die im Verlauf der Feier wiederholt einen entsprechenden Versuch unternahmen, was vom Arbeitnehmer, dem Kläger, jedoch abgelehnt wurde.

Im späteren Verlauf der Veranstaltung kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einem anderen Mitarbeiter, bei dem der andere Mitarbeiter an der Stirn verletzt wurde. Dem Kläger wurde vorgeworfen, den Verletzten in den Unterleib getreten und ins Gesicht geschlagen zu haben. Damit nicht genug: Anschließend habe er dem Kollegen, der eine Brille trug, den Inhalt eines Bierglases ins Gesicht geschüttet und ihm das leere Bierglas mit der Vorderseite ins Gesicht gestoßen. Dabei hat es sich – Kenner der Region wissen dies – nicht um einen in der Regel sehr stabilen bayrischen Bierhumpen, sondern um ein dünnwandiges Glas für das Düsseldorfer Altbier gehandelt, das bei dem Schlag auch zersplittert ist und dem Kollegen erhebliche Verletzungen im Gesicht zugefügt hat. Der Notarzt musste hinzugerufen werden.

Aufgrund dieser Vorfälle hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum Kläger fristlos außerordentlich gekündigt. Zuvor war, da es sich um einen schwerbehinderten Menschen gehandelt hatte, das Integrationsamt angehört worden, das der Kündigung zugestimmt hat. Auch der Betriebsrat war ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger wollte sich rechtfertigen: Er sei von den Damen beleidigt worden, da er sich nicht von seiner Krawatte trennen wollte. Auch der später verletzte Kollege habe ihn dabei beleidigt. Er habe diesen weggestoßen und, da er befürchtet hatte, er werde angegriffen, nach ihm getreten, ohne ihn zu berühren. An all das Folgende könne er sich nicht mehr erinnern. Er sei, und dies war dann auch für die Entscheidung wichtig, erkrankt. Er leide an einer Angststörung. Zum Tatzeitpunkt sei er schuldunfähig gewesen.

Das Gericht sah dies jedoch anders. Die Kündigung des Arbeitgebers wurde bestätigt. Insgesamt gelte der Grundsatz, dass derjenige, der Kollegen, einen Chef bzw. Vorgesetzten oder Kunden angreife, immer mit einer fristlosen außerordentlichen Kündigung rechnen müsse. Für eine Betriebsfeier gelte nichts anderes. Wer so viel Alkohol trinke, dass er sich an bestimmte Situationen nicht mehr erinnern könne, begebe sich selbst in eine entsprechende Situation, insbesondere wenn man um angebliche Krankheitszustände wisse. Selbst wenn der Kläger Angstzustände gehabt habe, rechtfertige dies nicht so schwerwiegende Angriffe und Verletzungen, wie sie dem Kollegen zugefügt worden sind. Von Notwehr kann hier nicht mehr gesprochen werden, zumal überhaupt kein Angriff stattgefunden habe.

Wer sich auf eine Karnevalsfeier im Rheinland begebe, müsse mit der Jahreszeit und dem Anlass entsprechenden Verhalten rechnen.

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