BAG, Urteil vom 16. Dezember 2014, 9 AZR 295/13

Mit dem vorliegenden Urteil hat das BAG seine Rechtsprechung geändert und gleichzeitig eine Regelung im Bundesurlaubsgesetz aufgegriffen, die in der Praxis häufig völlig unbekannt ist.

Wechselt ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber genau zum Ende des Kalenderjahres steht ihm beim alten Arbeitgeber der Urlaub im abgelaufenen und beim neuen Arbeitgeber im neuen Kalenderjahr zu. Nicht genommener Urlaub aus dem alten Jahr ist vom alten Arbeitgeber ggf. abzugelten. Hier gibt es in der Praxis keine Probleme.

Anders sieht es aus, wenn der Wechsel im Verlauf des Kalenderjahres stattfindet. Hier gibt es Fälle, in denen der Arbeitnehmer bereits mehr Urlaub beim alten Arbeitgeber genommen hat, als ihm unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit im laufenden Jahr zugestanden hätte. So ist es beispielsweise denkbar, dass der Arbeitnehmer seinen vollständigen Jahresurlaub – vielleicht in Unkenntnis des Arbeitgeberwechsels – schon genommen hat und das Arbeitsverhältnis dann beispielsweise zur Jahresmitte endet. Diesen Fall regelt § 6 Absatz 1 Bundesurlaubsgesetz, der merkwürdigerweise in vielen Personalabteilungen weitgehend unbekannt ist bzw. aus dem nicht die richtigen Schlussfolgerungen bezogen werden:

„Der Anspruch auf Urlaub besteht nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist.“

Der neue Arbeitgeber, bei dem unser Beispiels-Arbeitnehmer am 01. Juli 2015 beginnt, muss also zunächst prüfen, ob und wieviel Urlaub der neue Mitarbeiter vom ehemaligen Arbeitgeber bereits erhalten hat. Hat der Arbeitnehmer nach altem und neuem Arbeitsvertrag Anspruch auf die gleiche Zahl von Urlaubstagen und hat er, wie in unserem Beispielsfall, den gesamten Jahresurlaub bereits vom alten Arbeitgeber erhalten, muss der neue Arbeitgeber im zweiten Halbjahr überhaupt keinen Urlaub mehr gewähren.

Um dies festzustellen, ist jeder Arbeitgeber nach § 6 Absatz 2 BUrlG verpflichtet, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen. Solche Urlaubsbescheinigungen beim Arbeitgeberwechsel sind aber in der Praxis viel zu wenig bekannt.

Der Arbeitnehmer ist dann nämlich verpflichtet, diese Bescheinigung beim neuen Arbeitgeber vorzulegen.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer dies versäumt. Das BAG hat nun festgestellt, dass der neue Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, Urlaub oder Urlaubsabgeltung zu gewähren, solange der Arbeitnehmer diese Urlaubsbescheinigung nicht vorgelegt hat. § 6 Absatz 1 BurlG formuliere eine sog. negative Anspruchsvoraussetzung. Dem Arbeitnehmer, der Urlaub oder Urlaubsabgeltung beanspruche, obliege es darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Voraussetzungen, unter denen das Gesetz eine Anrechnung des bereits gewährten Urlaubs vorsieht, nicht vorliegen. Dies ist auch sachgerecht. Es ist der Arbeitnehmer der nach § 6 Absatz 2 einen Anspruch auf die Urlaubsbescheinigung gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber hat. Der neue Arbeitgeber kann sich diese Informationen nicht beschaffen.

Neben diesem wichtigen Ausführungen zur Übertragung von Urlaub und zur Beweislast hat das Bundesarbeitsgericht mit dieser Entscheidung auch einen weiteren sehr wichtigen Punkt klargestellt: Scheidet der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, wandelt sich der Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub um in einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn während der Dauer des Arbeitsverhältnisses keine Gelegenheit bestand, den Urlaub in natura zu nehmen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach dem Ausscheiden ist dann aber ein reiner Geldanspruch und er unterliegt wie das BAG jetzt klarstellt, auch eventuellen tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Ausschlussfristen. Der Arbeitnehmer muss also prüfen, ob solche Ausschlussfristen eingreifen und diese einhalten. In dem hier entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer den Urlaubsabgeltungsanspruch zu spät geltend gemacht und es darüber hinaus zunächst versäumt, die Urlaubsbescheinigung vorzulegen. Er hätte den Abgeltungsanspruch nur durchsetzen können, wenn er innerhalb der Ausschlussfrist den Urlaubsabgeltungsanspruch geltend gemacht und ebenfalls innerhalb der Frist die Urlaubsbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers vorgelegt hätte. d

Praxistipp:

Alle Unternehmen sollten es zur Routine machen, bei Mitarbeitern die im Verlauf des Kalenderjahrs neu eingestellt werden, eine Urlaubsbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers zu verlangen. Solange ein unterjähriger Eintritt erfolgt und diese Bescheinigung nicht vorgelegt wird, sollte auch kein Urlaub gewährt werden.

Weiterführender Hinweis:

Hat ein Arbeitnehmer im Verhältnis zur Betriebszugehörigkeit im laufenden Kalenderjahr bis zum Ausscheiden bereits zuviel Urlaub genommen (wie in unserem obigen Beispielfall) schuldet er dem bisherigen Arbeitgeber keinen „Schadenersatz“ o.ä.).

Arbeitnehmer die nach dem 30. Juni 2015 eines Kalenderjahres ausscheiden, haben Anspruch auf den vollen gesetzlichen Urlaub für das gesamte Kalenderjahr (in der Fünf-Tage-Woche: 20 Tage). Für einen darüber hinausgehenden durch Vertrag gewährten Urlaub kann etwas anderes vereinbart werden. Dies muss dann aber gesondert vereinbart und vom gesetzlichen Urlaub deutlich abgegrenzt werden.

Stichworte:
 

Comments are closed.