Sittenwidrige Lohnvereinbarung

Am 15. Juni 2015, von Michael Eckert

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07. November 2015 – 6 Sa 1148/14 und 6 Sa 1149/14

In diesem Fall hatte ein Rechtsanwalt zwei Aushilfen beschäftigt, die beide Empfänger von Hartz IV-Leistungen waren. Diese arbeiteten von Montag bis Freitag jeweils von 08:00 bis 11:00 Uhr bzw. drei Stunden am Nachmittag. Für die erbrachten allgemeinen Bürotätigkeiten zahlte der Anwalt € 100,00 im Monat, was einem Stundenlohn von weniger als € 2,00 entspricht.

Das Jobcenter machte aus übergegangenem Recht weitergehende Lohnansprüche geltend und berief sich darauf, ein Lohn von unter € 2,00 liege auch bei geringwertigen Bürotätigkeiten erheblich unter dem üblichen Lohn. Es liege eine sittenwidrige Lohnvereinbarung vor, da der Arbeitgeber weniger als 50% der üblichen Vergütung zahle. In diesem Fall gelte nicht der vereinbarte Lohn, sondern der übliche Lohn, so dass der Arbeitgeber zu ergänzenden Zahlungen verpflichtet sei.

Das Gericht hat festgestellt, dass die Lohnvereinbarung mit weniger als € 2,00 je Stunde die Arbeitnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt habe und ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Vergütung vorliege. Es handle sich um ein wucherähnliches Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstoße.

Die Richter gingen sogar noch weiter. Um einen sogenannten Lohnwucher festzustellen, bedarf es nicht nur eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern auch einer „verwerflichen Gesinnung“ des Arbeitgebers. Diese wurde hier bejaht. Die Arbeitsleistung der beiden Aushilfen hätte für den Anwalt einen wirtschaftlichen Wert gehabt. Wären die Arbeiten nicht von den beiden Aushilfen erledigt worden, hätte der Arbeitgeber andere Mitarbeiter einstellen müssen. Es handelte sich also nicht um Beschäftigungstherapien o.ä. ohne nennenswerten wirtschaftlichen Wert.

Der Hinweis des Arbeitgebers, die Aushilfen hätten doch Hartz IV-Leistungen bezogen und er habe ihnen lediglich eine Hinzuverdienstmöglichkeit einräumen wollen, hat die Entscheidung nicht beeinflusst. Ob und welche Leistungen Arbeitnehmer von Dritten sei es Privat (Unterhalt o.ä.) oder von staatlicher Seite erhalten, könne keine Auswirkungen auf die Verdiensthöhe haben. Im Gegenteil: Bei ordnungsgemäßer Vergütung hätten sich möglicherweise die Hartz IV-Bezüge ermäßigt. Der Anspruch der Beschäftigten auf eine nicht sittenwidrige Vergütung besteht aufgrund der Arbeitsleistung und ist unabhängig von sonstigen Einnahmen.

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