Zur „Rente mit 63“

Am 03. November 2014, von Michael Eckert

Der Gesetzgeber hat ein ebenso umfassendes wie umstrittenes Rentenpaket verabschiedet, von dem hier nur die Grundzüge skizziert werden können. Nicht erst nach der Verabschiedung sind verfassungsrechtliche Bedenken an der Zulässigkeit einiger der jetzt beschlossenen Regelungen aufgekommen. Politisch war dieses Vorhaben ohnehin höchst umstritten, da hier Rentenlasten auf zukünftige Generationen übergewälzt werden.

Die beschlossene Regelung hat bei Arbeitgeberverbänden einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. In Zeiten, in denen ohnehin in vielen Bereichen Fachkräfte fehlen, werden hier durch diese Neuregelung erfahrene Experten motiviert, den Arbeitsmarkt „vorzeitig“ zu verlassen.

Unabhängig von der politischen Bewertung ergibt sich folgende rechtliche Situation:

Die rentenrechtliche Neuregelung besteht im Wesentlichen aus vier, teilweise ineinandergreifenden Komponenten:

  • Die Rente ab 63 mit 45 Beitragsjahren
  • Die Mütterrente
  • Die Erwerbsminderungsrente
  • Das Reha-Budget

Über diese einzelnen Aspekte aus dem Bereich des Sozialversicherungsrechts ist hier im arbeitsrechtlichen Blickwinkel nicht zu berichten. Allerdings ergeben sich aus der Rente mit 63 auch arbeitsrechtliche Auswirkungen:

1.

Das Arbeitsverhältnis endet auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine Rente mit 63 Lebensjahren erfüllt sind, nicht automatisch. Das Arbeitsverhältnis muss vielmehr zwischen den Parteien beendet werden.

2.

In vielen Arbeitsverträgen findet sich eine Klausel, wonach das Arbeitsverhältnis automatisch mit Erreichen des 65. Lebensjahres endet. Diese Klausel ist ohnehin problematisch, seit das gesetzliche Renteneintrittsalter nicht mehr, wie früher, fest bei 65 Lebensjahren liegt, sondern je nach Geburtsjahr sich zum 67. Lebensjahr hin entwickelt. Hier muss dann, ausgehend von der konkreten Formulierung, geprüft werden, ob möglicherweise eine Beendigung zu dem Datum gemeint war, zu dem der Arbeitnehmer abschlagsfrei regulär Altersrente beziehen kann.

3.

Viele, insbesondere neuere Verträge sind bereits dahingehend umgestellt, dass nicht auf die Vollendung des 65. Lebensjahres sondern darauf abgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den Bezug regulärer Altersrente ohne Abschläge erfüllt. Eine solche Klausel ist nach heutigem Stand der Rechtsprechung wirksam.

4.

Denkbar ist, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis wegen des bevorstehenden Renteneintritts kündigt. Dabei müssen die individuellen Kündigungsfristen eingehalten werden. Hier sind Tarifvertrag und Arbeitsvertrag sorgfältig zu prüfen. Häufig finden sich in Arbeitsverträgen Regelungen, wonach verlängerte Kündigungsfristen aufgrund längerer Betriebszugehörigkeitszeiten, die nach dem Gesetz eigentlich nur für Arbeitgeberkündigungen gelten, auch bei Arbeitnehmerkündigungen anwendbar sind. Solche Regelungen sind wirksam.

Der Arbeitnehmer muss auch dann, wenn er das Arbeitsverhältnis aufgrund des Renteneintritts kündigt, die Kündigungsfristen einhalten, andernfalls macht er sich gegebenenfalls gegenüber dem Arbeitgeber schadensersatzpflichtig.

5.

Die Parteien können auch zu einem beliebigen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt einen Aufhebungsvertrag schließen. In diesem Fall sind sie nicht an Kündigungsfristen gebunden. Zur Absicherung des Arbeitgebers sollte in einem solchen Aufhebungsvertrag aber festgehalten werden, dass der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers zustande kommt, der auch die vorzeitige Beendigung vor Ablauf der Kündigungsfrist ausdrücklich wünscht und zwar mit der Begründung, dass er anschließend unmittelbar in Rente geht. Ohne einen solchen Zusatz könnte unter Umständen aus einer fehlenden Beratung über die nach Abkürzung der Kündigungsfrist erfolgende Sperrfrist bei der Arbeitsagentur ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers entstehen. Dieser setzt natürlich voraus, dass der Arbeitnehmerantrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld stellt. Dies ist aber bei Eintritt in die Rentenzeit ohnehin nicht der Fall.

6.

Wenn bereits 45 Beitragsjahre abgeleistet wurden, könnten die Parteien auf die Idee kommen, das Arbeitsverhältnis bereits mit Vollendung des 61. oder 62. Lebensjahres zu beenden, worauf hin in der Regel der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld beantragt und der Arbeitgeber die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und Nettogehalt durch laufende Zahlungen oder eine einheitliche Abfindungszahlung ganz oder teilweise ausgleicht.

Solche Regelungen sind aber mit großer Vorsicht zu handhaben. Zum einen kann der Arbeitgeber nicht garantieren und soll dies auch klarstellen, wie die sozialversicherungsrechtliche Situation in zwei Jahren ist, ob dann tatsächlich noch die kürzlich verabschiedeten, neuen Rentenregeln über den ungeschmälerten Rentenzugang ab dem 63. Lebensjahr mit 45 Beitragsjahren gelten. Denkbar wäre, dass (theoretisch) eine andere Regierung diese Regelung wieder rückgängig machen oder grundsätzlich ändern könnte. Niemand kann heute voraussagen, welche sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften in zwei Jahren gelten. Hier droht dann aber gegebenenfalls eine Sperrfrist, da der Arbeitsvertrag entweder durch Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung des Arbeitnehmers beendet werden müsste. In beiden Fällen trägt er zur Arbeitslosigkeit bei, was mit der Sperrfrist geahndet wird.

Daher kommen manche Arbeitnehmer auf die Idee, es sei doch sinnvoll, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Vorschieben eines Kündigungsgrundes aus dem personen- oder betriebsbedingten Bereich (§ 1 KSchG) kündigt, um so eine Sperrfrist zu vermeiden. Arbeitgeber seien dringend vor einer solchen vermeintlich nur kulanten Handhabung gewarnt. Werden nicht bestehende Kündigungsgründe vorgeschoben, um beispielsweise eine Sperrfrist zu vermeiden, macht sich der Arbeitgeber unter Umständen sogar strafbar. Hier sei auch daran erinnert, dass der Arbeitgeber eine Entgeltbescheinigung der Arbeitsagentur ausfüllen und dort auch den Kündigungsgrund angeben muss. Hier kommt unter Umständen auch eine Beihilfe zur Leistungserschleichung o.ä. als Straftat in Betracht.

Denkbar wäre allenfalls, den durch eine Sperrfrist eintretenden Nachteil seitens des Arbeitgebers finanziell auszugleichen. Hier sei aber daran erinnert, dass im Rahmen einer Sperrfrist nicht nur die ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld gezahlt wird, sondern sich auch die Gesamtbezugsdauer des Arbeitslosengeldes um 25% verringert. Bei älteren Arbeitnehmern mit zweijährigem Anspruch auf Arbeitslosengeld ist dies ein halbes Jahr.

7.

Ob sich vom Arbeitnehmer gewünschte Vertragsbeendigungen, gleichgültig ob sie über eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag realisiert werden, auf den Rentenanspruch ab dem 63. Lebensjahr mit 45 Jahren Beitragszahlung auswirken, kann heute noch nicht abschließend beurteilt werden. Hierzu fehlt naturgemäß jegliche Rechtsprechung.

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