Betriebsrat als Schuldner des Anwaltshonorars?

Am 03. Juni 2013, von Michael Eckert

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2012; III ZR 266/11

Ausnahmsweise hat sich der Bundesgerichtshof – und nicht das Bundesarbeitsgericht – mit der auch im Arbeitsrecht bisher streitigen Frage befasst, ob und inwieweit der Betriebsrat als Kremium selbst rechtsfähig ist und beispielsweise Rechtsgeschäfte im eigenen Namen abschließen kann.

Unstreitig und Ausgangspunkt ist zunächst, dass der Betriebsrat gegenüber dem Arbeigeber einen Anspruch auf Freistellung von Kosten hat, die beispielsweise durch die Hinzuziehung eines Beraters oder eines Sachverständigen entstanden sind, und zwar „in Höhe der dadurch entstandenen erforderlichen Kosten“.

Dies setzt voraus, dass der Betriebsrat ein Rechtsgeschäf mit einem Dritten, beispielsweise einem Berater, selbst abschließen kann und insoweit rechtsfähigkeit genießt. Insbesondere ist hier von Bedeutung, dass der Betriebsrat einen solchen Vertrag nicht als Vertreter des Arbeitgebers abschließt.

Der Betriebsrat kann einen Freistellungsanspruch, den er gegenüber dem Arbeitgeber hat, auch an den externen Berater oder Sachverständigen abtreten. Dort wandelt sich dann der ursprüngliche Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber in einen Zahlungsanspruch direkt an den Berater (so schon BAG, Entscheidung vom 29. Juli 2009 und 09. Dezember 2009, Az. 7 ABR 95/07 und 7 ABR 90/07).

Wichtige Voraussetzung ist jedoch, dass der Betriebsrat insoweit im Rahmen seines gesetzlichen Wirkungskreises handelt.

Einigkeit herrscht bisher auch dahingehend, dass die Betriebsratsmitglieder allgemein, zumindest soweit sie nicht aktiv selbst gehandelt haben, keiner direkten persönlichen Haftung ausgesetzt sind. Eine solche wäre mit dem ehrenamtlichen Betriebsratsmandat nicht vereinbar.

Der BGH stellt ausdrücklich nochmals fest, dass ein Vertrag, den der Betriebsrat zu seiner Unterstützung beispielsweise gemäß § 111 Satz 2 BetrVG mit einem Beratungsunternehmen abschließt, dann wirksam ist, wenn und soweit die vereinbarte Beratung zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats im gesetzlichen Umfang erforderlich ist und der Betriebsrat daher einen Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG hat. Dabei geht der Bundesgerichtshof mit dem BAG davon aus, dass die Grenzen des dem Betriebsrat zustehenden Beurteilungsspielraums im Vorfeld nicht zu eng gezogen werden dürfen, um die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Betriebsratsorgans nicht einzuschränken. Im Vorfeld lassen sich Erforderlichkeit und Umfang einer beratenden externen Tätigkeit naturgemäß nur schwer beurteilen.

Hieraus folgt aus Sicht des BGH aber bereits, dass der Betriebsrat im Verlauf der Beratung verpflichtet ist, den Umfang laufend zu kontrollieren und zu überprüfen, ob weiterer Aufwand insoweit erforderlich und noch angemessen ist. Der Betriebsrat kann sich somit nicht auf seiner ursprünglichen ersten Einschätzung im Vorfeld der Beratung „ausruhen“.

Im Rahmen eines mit einem externen Berater geschlossenen Vertrages kann der Betriebsrat sich selbst zur Zahlung einer Vergütung verpflichten. Insoweit ist der Betriebsrat teilrechtsfähig, allerdings nur, soweit er im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben (u.a. ANgemessenheit und Erforderlichkeit) handelt.

Zwar haften Betriebsratsmitglieder allgemein nicht für Schulden des Betriebsrats. Etwas anderes gilt aber für Betriebsratsmitglieder, die als Vertreter des Betriebsrates mit einem Beratungsunternehmen eine konkrete vertragliche Vereinbarung treffen, soweit diese zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates (hier: gemäß § 111 BetrVG, Interessenausgleich) nicht erforderlich ist. Sie können gegenüber dem Beratungsunternehmen ggf. zum Schadenersatz gemäß § 179 BGB herangezogen werden.

Hier gilt Folgendes:

Der Betriebsrat ist nur insoweit teilrechtsfähig, als dies durch seine gesetzlich nomierten Aufgaben gedeckt ist. Ist eine externe Beratungstätigkeit auch bei Anlegung des dem Betriebsrat zuzusprechenden weiten Ermessungsspielraumes nicht mehr durch die gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrates gedeckt, fehlt es an der Teilrechtsfähigkeit, die für den Abschluss des Vertrages erforderlich ist. Insoweit ist aber der Vertragspartner des Betriebsrates (Beratungsunternehmen) zu schützen. Der Schutz ergibt sich aus § 179 BGB. Dort ist die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht geregelt: Wer mit einem Dritten einen Vertrag abschließt und behauptet nicht selbst, sondern als Vertreter einer weiteren Person zu handeln, haftet selbst, wenn er keine entsprechende Vertretungsmacht besitzt oder der vermeintlich Vertretene überhaupt nicht existiert. Der Bundesgerichtshof betont hier, dass die – aufgrund einer Überschreitung der gesetzlichen Kompetenzen – fehlende teilweise Rechtsfähigkeit des Betriebsrats gleich zu setzen ist mit der Situation, wie sie besteht, wenn der Vertretene überhaupt nicht (rechtlich) existiert. Daher sei ein Vertrag zwischen dem Beratungsunternehmen und dem (insoweit dann nicht rechtsfähigen) Betriebsrat nicht wirksam zustande gekommen mit der Folge, dass der Vertreter des nicht existierenden Vertretenen persönlich haftet. Dies wird in der Regel der Betriebsratsvorsitzende oder der Stellvertreter sein, der in Vertretung für den Betriebsrat den Vertrag abgeschlossen hat.

Im vorliegenden Fall war streitig, ob die Einschaltung des Beraters überhaupt erforderlich war bzw. ob die von diesem abgerechneten Kosten jedenfalls im Verlauf der Beratung eine nicht mehr angemessenen Umfang angenommen haben. Auch hier ist der Betriebsrat in der Pflicht: Er muss einerseits auch im Verlauf einer vielleicht ursprünglich noch erforderlichen Beratung prüfen, ob und inwieweit weitere Beratungsleistungen erforderlich sind oder ob die Beratungsleistung den für den Arbeitgeber zumutbaren Umfang erheblich überschreitet. Das Gleiche gilt auch für die dem Betriebsrat obliegende Prüfung, ob die Beratungshonorare angemessen und zumindest üblich sind. Unangemessen hohe und völlig unübliche Beratungshonorare darf der Betriebsrat nicht akzeptieren.

Im Streitfall muss der Betriebsrat bzw. das ggf. in Anspruch genommene Handelnde und in Anspruch genommene Betriebsratsmitglied seinerseits beweisen, dass die Hinzuziehung des Beraters betriebsverfassungsrechtlich zulässig sowie nach Umfang und Vergütungshöhe erforderlich war, sich also in den Grenzen des § 40 Abs. 1 BetrVG bewegt hat. Bejahendenfalls war der Betriebsrat partiell rechtsfähig und kann seinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber an den Berater abtreten, der dann unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber klagen kann.

Verneinendenfalls fehlte es an der Rechtsfähigkeit des Betriebsrats und der handelnde Betriebsratsvertreter haftet gem. § 179 BGB in den Grenzen dieser Vorschriften persönlich.

Anmerkung:

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs dürfte für die zukünftige Arbeit von Betriebsräten tiefgreifende Auswirkungen haben.

Nicht selten kommt es gerade bei der Einschaltung externer Sachverständiger, Berater o. ä. zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitgeber. Ursache kann sowohl die Frage sein, ob die Einschaltung erforderlich und sinnvoll ist. Darüber hinaus gibt es auch oft Streit über die Höhe der Vergütung. Hier ist problematisch, dass der Betriebsrat den Vertrag mit dem Berater abschließt, die Kosten jedoch der Arbeitgeber tragen soll, was häufig zu Differenzen bezüglich der Angemessenheit etwa von Stundenhonoraren führt.

Hier konnte sich der Betriebsrat bislang darauf verlassen, dass er selbst weder natürlich noch juristische Person und damit eigentlich nicht vollständig rechtsfähig ist. Er hatte auch selbst keinerlei Vermögen, das zur Deckung von nicht erforderlichen Beratungshonoraren eingesetzt werden könnte. Schließlich hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung auch eine persönliche Haftung aller Betriebsratsmitglieder für nicht angemessene Kosten verneint.

Der Bundesgerichtshof hat nun einen interessanten Weg beschritten.

  • Zum Einen hat er ausdrücklich das weite Ermessen des Betriebsrates bei der Frage bejaht, ob und in welchem Umfang Beratungshonorare notwendig und angemessen sind. Damit verringert sich das Risiko einer Inanspruchnahme bereits erheblich.
  • Der Betriebsrat ist aber gerade aufgrund des weiten „sogenannten Ex ante-“ Ermessens auch im Verlauf der Beratungstätigkeit verpflichtet, die Kosten im Auge zu behalten und bei nicht mehr gegebener Erforderlichkeit die Beratung ggf. zu stoppen oder ggf. von einer weiteren Anspruchnahme abzusehen.
  • Der Betriebsrat bzw. die handelnden Betriebsratsmitglieder sind im Streitfall darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die für externe Berater anfallenden Kosten im Grunde und der Höhe nach erforderlich sind und sich damit in den Grenzen des § 40 Abs. 1 BetrVG bewegen. Es ist nicht der Arbeitgeber, der für die fehlende Erforderlichkeit beweispflichtig wäre.
  • Wird die Grenze der Erforderlichkeit überschritten, wird es für die handelnden Betriebsratmitglieder (und nur für diese!) gefährlich: insoweit tritt dann eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem externen Berater in Kraft. Ist die Beratung nicht (mehr) erforderlich, fehlt es (ggf. teilweise) an der Berechtigung des Betriebsrates, wirksam in den Grenzen des BetrVG einen Vertrag mit einem Berater abzuschließen. Der handelnde Betriebsratsvorsitzende handelt und vertritt damit jemanden, der dann nicht (mehr) rechtsfähig ist, wodurch er sich selbst schadensersatzpflichtig macht.

Mehr denn je sollte in Zukunft darauf geachtet werden, dass externe Berater oder Sachverständige, die der Betriebsrat hinzuziehen möchte, vorab einen Kostenplan vorlegen, aus dem sich

  • die genaue Tätigkeit und deren Grenzen,
  • die Berechnungsweise,
  • ggf. die erforderlichen Stunden,
  • der Stundensatz und
  • evtl. Nebenkosten,

nachvollziehbar ergeben. Werden die jeweiligen hier genannten Grenzen überschritten, sollte darauf geachtet werden, dass vor der Erbringung weiterer Leistungen der Arbeitgeber ausdrücklich seine Zustimmung gibt. Nur auf diese Weise lassen sich zuverlässig Streitigkeiten und Haftungsprobleme für den handelnden Betriebsrat, in der Regel bestehend aus dem Betriebsratsvorsitzenden, vermeiden. Solche Vereinbarungen zwischen Betriebsrat, Berater/Sachverständigen und Arbeitgeber sollten möglichst schriftlich oder in gemeinsam unterzeichneten Protokollen festgehalten werden.

Auch externe Berater müssen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kennen. Die direkte Inanspruchnahme des handelnden Betriebsratsvorsitzenden dürfte in der Praxis kein echter Ausweg sein, zumal sich hier immer die Frage stellt, ob und mit welchem Aufwand ggf. Forderungen durchgesetzt werden können. Eine dreiseitige Vereinbarung unter Einbeziehung des Arbeitgebers mit allen Details sollte daher auch für externe Berater oder Sachverständige des Betriebsrats Voraussetzung für die Aufnahme oder Weiterführung der Tätigkeit sein.

Umgekehrt ist der Arbeitgeber nach dieser neuen Entscheidung gewisslich besser vor der Inanspruchnahme nicht erforderlicher externer Beratungsleistung bzw. vor exorbitanten Stundensätzen geschützt.

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