Frage nach Schwerbehinderung bei bestehendem Arbeitsverhältnis

Am 19. November 2012, von Michael Eckert

BAG, Urteil vom 16. Februar 2012, 6 AZR 553/10

Die Frage, ob und wann der Arbeitgeber einen Bewerber bzw. Arbeitnehmer nach einer Schwerbehinderung fragen darf und wann der Arbeitnehmer diese Frage wahrheitsgemäß beantworten muss, war bislang nur teilweise geklärt.

Unstreitig darf der Bewerber, der im Rahmen der Bewerbergespräche nach einer evtl. Schwerbehinderung gefragt wird, diese wahrheitswidrig verneinen, soweit die konkrete Schwerbehinderung keinen Einfluss auf die Frage hat, ob er für die betreffende Arbeitsstelle geeignet ist. Führt die Schwerbehinderung dazu, dass der Bewerber für die Stelle ungeeignet ist, muss er diese Frage wahrheitsgemäß beantworten, anderenfalls darf er notfalls auch lügen.

Unklar ist, ob der Arbeitgeber die gleiche Frage nach der Schwerbehinderung innerhalb der ersten sechs Monate des neuen Arbeitsverhältnisses, also nach Abschluss des Arbeitsvertrages, stellen darf und ob der Arbeitnehmer auch hier evtl. wahrheitswidrig eine Schwerbehinderung verneinen darf. Diese Frage ist höchstrichterlich für den Fall, dass die Schwerbehinderung keine Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Erfüllung der Arbeitspflichten hat, noch ungeklärt.

Geklärt ist jetzt allerdings die Berechtigung des Arbeitgebers, nach sechs Monaten nach einer Schwerbehinderung zu fragen. Nach Ablauf dieser Frist von sechs Monaten besteht für den Arbeitnehmer Kündigungsschutz, weshalb er auch nicht mehr befürchten muss, dass er möglicherweise aufgrund einer wahrheitsgemäßen Mitteilung der Schwerbehinderung gekündigt werden könnte.

Stellt der Arbeitgeber die Frage nach einer Schwerbehinderung, muss der Arbeitnehmer nach mindestens sechsmonatiger Beschäftigung wahrheitsgemäß antworten. Der Arbeitgeber hat in einem solchen Fall nämlich ein eigenes Interesse an der wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage, beispielsweise wenn es um die Erfüllung der Beschäftigungspflicht von Schwerbehinderten bzw. um die Frage einer Ausgleichsabgabe geht.

Im vorliegenden Fall diente die Anfrage nach einer Schwerbehinderung der Vorbereitung betriebsbedingter Kündigungen. Hier hatte der betroffene Arbeitnehmer die Frage nach einer Schwerbehinderung verneint und dann aufgrund einer insoweit getroffenen Sozialauswahl eine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Erst nach Erhalt der Kündigung hat er dann die Schwerbehinderung offenbart und erklärte, er sei schutzwürdiger als andere nichtschwerbehinderte Arbeitnehmer, weshalb die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung unwirksam sei.

Das BAG hat seine Kündigungsschutzklage abgewiesen und die Kündigung für wirksam erklärt. Wenn der Arbeitgeber ausdrücklich nach bestimmten Sozialkriterien wie einer Schwerbehinderung frage, müsse der Arbeitnehmer auch wahrheitsgemäß antworten. Belügt er den Arbeitgeber insoweit, kann er sich später nach Ausspruch einer Kündigung nicht mehr auf solche von ihm verschwiegene Sozialkriterien wie eine Schwerbehinderung berufen. Der Arbeitnehmer habe durch seine wahrheitswidrige Beantwortung der Frage verhindert, dass der Arbeitgeber sich rechtstreu verhalten kann.

Insbesondere hat das BAG klargestellt, dass die Frage nach der Schwerbehinderung nach Ablauf der sechsmonatigen Frist keine Diskrimminierung Schwerbehinderter darstelle und auch nicht gegen das Datenschutzrecht verstoße.

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