EuGH, Urteil vom 19.04.2012 (C-415/10)

In jüngerer Zeit sind eine Reihe von instanzgerichtlichen Entscheidungen und aktuellen praktischen Fällen bekannt geworden, in der die hier relevante Rechtsfrage eine entscheidende Rolle spielt:

Eine mehrfach abgelehnte Bewerberin, eine 45-jährige Russin, hatte sich aufgrund ihres Alters und ihrer Nationalität als diskriminiert angesehen, da sie nicht eingestellt worden war.

Die Bewerberin hatte lediglich eine Ausbildung in Russland durchlaufen. Sie ist in Deutschland eine bekannte AGG-Hopperin und war im Laufe des hier zur Entscheidung stehenden Verfahrens wegen versuchten Einstellungsbetruges sogar in Haft gewesen.

Eine Entschädigung aufgrund angeblicher Diskriminierung nach dem AGG hat sie im Wesentlichen damit begründet, dass der Arbeitgeber ihr keine Auskunft über die Qualifikation und die Person desjenigen Bewerbers gegeben habe, der die Stelle letztlich erhalten hatte. Der Arbeitgeber hatte sich insoweit auf Datenschutz berufen. Allein die Nichtauskunft sollte in den Augen der Bewerberin die Vermutung einer Diskriminierung tragen.

Entscheidung: Dem tritt der EuGH entgegen. Wie bereits in einem anderen, den Hochschulzugang betreffenden Fall entschieden (Rechtssache Kelly, C-104/10 vom 21. Juli 2011), geben die Europäischen Regelungen keinen Rechtsanspruch gegen den Arbeitgeber her, Auskunft über den erfolgreichen Bewerber zu erteilen. Daher könne aus dessen Weigerung, Informationen offen zu legen, i.d.R. auch kein für diesen nachteiligen Schluss gezogen werden.

Allerdings weist der EuGH im Rahmen seiner Begründung darauf hin, dass eine verweigerte Auskunft über die tatsächlich eingestellte Person unter bestimmten Umständen zu einer für den Arbeitgeber negativen Beweislastverteilung führen können. Der EuGH nennt insoweit folgende Aspekte:

  • Das Anforderungsprofil der Stelle und das Leistungs- und Ausbildungsprofil des Bewerbers stimmen überein

und

  • es gab keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch

und

  • die Stelle war offiziell ausgeschrieben, es handelte sich nicht um eine Initiativbewerbung.

Soweit ausnahmsweise diese drei Kriterien insgesamt erfüllt sind, kann sich nach Ansicht des EuGH ausnahmsweise auch ohne entsprechende Begründung durch eine europäische Norm aus nationalem Recht entweder ein Auskunftsanspruch über die Gründe ergeben, die zur Einstellung des letztlich erfolgreichen Bewerbers geführt haben oder ein Indiz für eine Diskriminierung.

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