Rechtsmissbrauch bei sachgrundloser Befristung

Am 15. Dezember 2020, von Michael Eckert

LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2019, 21 Sa 936/18

Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages ist nur dann zulässig, wenn zwischen dem Beschäftigten einerseits und dem Arbeitgeber andererseits bisher noch niemals ein Arbeitsvertrag bestanden hat. Diese gesetzliche Regelung wurde vom Bundesverfassungsgericht gerade kürzlich wieder bestätigt.

Nach § 14 Absatz 2 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) gilt daher Folgendes:

Bestand vor Abschluss des jetzt beabsichtigten befristeten Arbeitsverhältnisses bereits einmal ein Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wird zwar der neue Arbeitsvertrag wirksam, nicht aber die beabsichtigte Befristung. Zustande kommt daher ein wirksamer unbefristeter Vertrag.

Voraussetzung hierfür ist nach dem Gesetz, dass in beiden Fällen der Arbeitsvertrag mit dem gleichen (aktuellen) Arbeitgeber zustande kommt.

Diese gesetzliche Regelung hat nunmehr das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ausgedehnt auf gesetzlich gar nicht erwähnte Fälle. Ob es sich hier um eine zulässige Rechtsfortbildung oder eine unzulässige Rechtsfortbildung „contra legem“, also entgegen Wortlaut und Sinn des Gesetzes handelt, erscheint zumindest offen.

Worum ging es:

Der beklagte Arbeitgeber betreibt mit einem Forschungsverbund ein Labor. Die klagende Arbeitnehmerin war zunächst bei diesem Forschungsverbund befristet angestellt. Die Arbeitnehmerin beendete dann selbst das dort bestehende Arbeitsverhältnis und schloss mit dem beklagten Arbeitgeber einen neuen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag mit im Übrigen vergleichbaren Arbeitsbedingungen ab.

Hintergrund für diesen Arbeitgeberwechsel war wohl die Tatsache, dass die Befristung in absehbarer Zeit ausgelaufen wäre. So sollte eine weitere Beschäftigung der Arbeitnehmerin gewährleistet werden.

Diese gute Absicht auf Seiten des Arbeitgebers hat sich aber nun als arbeitsrechtlicher Bumerang erwiesen: Das Landesarbeitsgericht hat diese Fallgestaltung als „rechtsmissbräuchlich“ angesehen und festgestellt, dass das aktuelle Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin unbefristet zustande gekommen sei. Es handele sich nämlich um eine missbräuchliche Regelung, wenn zwei tatsächlich und rechtlich verbundene Arbeitgeber nacheinander befristete Arbeitsverträge ohne Befristungsgrund abschließen würden. Hier sei quasi davon auszugehen, dass es sich um Arbeitsverhältnisse beim gleichen Arbeitgeber handele, was zur Unwirksamkeit der zweiten Befristung (ohne Befristungsgrund) führe.

Entscheidend war für das Landesarbeitsgericht, dass es angeblich für den Arbeitgeberwechsel keinen sachlichen Grund gegeben habe. Vielmehr sei es von Anfang an darum gegangen, zweimal eine sachgrundlose Befristung zu ermöglichen. Auch die Tatsache, dass die Arbeitnehmerin im Bereich der Forschung tätig gewesen sei, sei ohne rechtliche Bedeutung. Eine Revision wurde vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Anmerkung:

Die hier besprochene Entscheidung verdient Kritik. Sie lässt sich aus Sicht des Autors nicht vertreten:

Zum einen widerspricht sie dem eindeutigen Gesetzestext in § 14 Absatz 2 TzBfG.

Danach kommt es nur auf die Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber an. Die Beschäftigungen bei zwei Arbeitgebern nacheinander können nicht als Einheit gesehen werden.

Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass beispielsweise in verbundenen Unternehmen (Konzern) Beschäftigungszeiten zusammen gerechnet werden, hätte dies gesetzlich geregelt werden können. Dies hat der Gesetzgeber aber ganz bewusst unterlassen. Es handelt sich hier also nicht um eine durch die Rechtsprechung ausfüllungsbedürftige oder auch nur der Auslegung offener Lücke. Dies ergibt sich insbesondere aus folgender Überlegung:

In § 14 Absatz 2 a) TzBfG hat der Gesetzgeber längere Befristungsmöglichkeiten für „junge Unternehmen“ in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung eröffnet. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass diese Sonderregelung nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit „rechtlichen Umstrukturierungen von Unternehmen und Konzernen“ gilt.

Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass eine solche Ausnahme auch für die grundsätzliche Regelung in § 14 Absatz 2 TzBfG gilt, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, spätestens bei Einführung des Absatzes 2 a) dies auch im Gesetzestext von Absatz 2 niederzulegen. Dies ist nicht geschehen.

Vorliegend handelt es sich offensichtlich aber noch nicht einmal um zwei Konzernunternehmen, deren Arbeitsverhältnisse hier „zusammengelegt“ worden sind. Es bestanden lediglich vertragliche Beziehungen zum gemeinsamen Betrieb eines Labors zwischen beiden Arbeitgebern und es fand eine tatsächliche Zusammenarbeit in diesem Labor statt. Wenn aber noch nicht einmal bei Konzernunternehmen eine Zusammenrechnung möglich ist, gilt dies doch erst Recht bei nur allgemein vertraglich miteinander in Kontakt stehende Unternehmen.

Die vorliegende Entscheidung begegnet auch deshalb gravierenden Bedenken, da sie für die Praxis erhebliche Unsicherheiten schafft. Wenn schon ein Kooperationsvertrag zur gemeinsamen Nutzung eines Labors ausreicht, um den Gesetzestext des § 14 Absatz 2 TzBfG auszuhebeln, gilt dies doch vielleicht bei anderen Verträgen zwischen zwei Unternehmen ebenfalls?

Praxistipp:

So sehr die Entscheidung also zu kritisieren ist, so sehr ist aber auch für Arbeitgeber bei Abschluss von befristeten Verträgen ohne Befristungsgrund Vorsicht geboten. Hier sollte überprüft werden, ob der betreffende Arbeitnehmer zuvor bei einem Arbeitgeber tätig war, mit dem (enge) Verbindungen, welcher Art auch immer, bestehen. Hier sollte dann durch Arbeitsrechtler geprüft werden, ob die Gefahr einer unwirksamen Befristung besteht.

Hinzu kommt aktuell eine weitere Unsicherheit:

Die Bundesregierung hat schon vor Jahresfrist angekündigt, das Recht der befristeten Arbeitsverträge grundlegend zu überarbeiten. Die selbstgesetzten Fristen hierfür wurden bisher nicht eingehalten. Wenn man als Arbeitsrechtler einen Blick auf die vorliegenden Entwürfe wagt, kann man nur froh sein, dass es bisher nicht zu einer Umsetzung gekommen ist: Hier werden für die Wirtschaft, aber auch für den Arbeitsmarkt, wichtige Impulse und Beschäftigungsmöglichkeiten zerstört, und zwar zu Gunsten einer vermeintlich besseren Absicherung von Arbeitnehmern. Dabei wird aber übersehen, dass nur diejenigen geschützt werden können, die schon einen Arbeitsvertrag haben. Deren Zahl sinkt, wenn die Beschäftigungsanreize und Flexibilisierungsmöglichkeiten für Arbeitgeber gestrichen werden.

 

 

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