BAG, Urteil vom 19. Februar 2019, 3 AZR 150/18

 

Auch eine Versorgungsregelung, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wird und die eine Betriebsrente und ggf. eine Hinterbliebenenversorgung beinhaltet, muss die gesetzlichen Vorgaben zu allgemeinen Geschäftsbedingungen einhalten. Sie darf insbesondere den Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen (!) nicht unangemessen entgegen Treu und Glauben benachteiligen.

Von einer solchen Benachteiligung ging das BAG im vorliegenden Fall aus mit der Folge, dass die Regelung zur Hinterbliebenenversorgung unwirksam war und entgegen der getroffenen Vereinbarung einen Versorgungsanspruch der Witwe bestand.

Geklagt hatte die Witwe eines im Jahr 2015 verstorbenen Arbeitnehmers, dem u.a. eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt worden war. Allerdings sollte ein Anspruch auf eine Witwenrente ausgeschlossen sein, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes des (ehemaligen) Mitarbeiters nicht mindestens zehn Jahre bestanden hatte. Die Ehe im vorliegenden Fall war im Juli 2009 geschlossen worden. Die Klage auf Zahlung der Witwenrente wurde vom Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht aufgrund der eindeutigen Regelung in der Versorgungsordnung abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Rente aber nunmehr doch zugesprochen.

Das BAG ist im Kern der Aufforderung/der Auffassung, dass die Bedingung einer Mindestehedauer von zehn Jahren eine unangemessene Benachteiligung des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers darstelle. Zulässig ist es zwar grundsätzlich, den von einer Hinterbliebenenversorgung erfassten Personenkreis einzuschränken. Diese Einschränkung unterliegt aber der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB. Eine Zeitspanne von 10 Jahren ist aus Sicht des BAG aber willkürlich und hat keinen inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum Zweck der beabsichtigten Versorgung. Der Zweck der Hinterbliebenenversorgung, nämlich eine Absicherung der Hinterbliebenen im tatsächlichen Sinne, sei durch eine zehnjährige Mindestehedauer gefährdet.

Anmerkung:

Diese Entscheidung überzeugt nicht.

Grundsätzlich obliegt es den Vertragsparteien Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Bedingungen einer betrieblichen Altersversorgung auszuhandeln. Grundsätzlich sind dabei auch Einschränkungen hinsichtlich der Hinterbliebenen zulässig. Auf diese Weise sollen „Versorgungsehen“ zu Lasten des Arbeitgebers vermieden werden, indem etwa bei einer Krankheit, in hohem Alter kurz vor dem Tod o.ä. noch „schnell“ eine Ehe geschlossen wird, um den Ehepartner in den Genuss einer Hinterbliebenenversorgung zu bringen.

Grundsätzlich anerkannt sind daher auch Regelungen, die eine Mindestdauer der Ehe vorsehen.

Man mag darüber diskutieren können, ob eine zehnjährige Dauer hier nicht wirklich zu lange ist.

Letztlich ist aber jede Zeitspanne, die hier vorgesehen wird, willkürlich gegriffen. Es ist nicht zu erkennen, warum eine zehnjährige Mindestdauer der Ehe willkürlich und beispielsweise eine drei- oder fünfjährige Dauer nicht willkürlich sein soll.

Nicht nachzuvollziehen ist auch der vom BAG als fehlend reklamierte „innere Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis“.

Somit ist aus meiner Sicht das Ergebnis vertretbar, die Begründung allerdings nicht hilfreich, um ähnlich gelagerte Fälle entscheiden zu können.

Praxistipp:

Hat der Arbeitgeber in betrieblichen Altersversorgungsregelungen die Hinterbliebenenversorgung (Ehepartner, Kinder, adoptierte Kinder, Lebenspartnerschaften, eheähnlichen Lebensgemeinschaften o.ä.) geregelt bzw. eingeschränkt, empfiehlt sich eine Überprüfung.

Ggf. sollten bestehende Regelungen einvernehmlich angepasst werden, um diese wirksam werden zu lassen. War der Betriebsrat beteiligt (Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung) muss auch dieser einer Änderung in der Regel zustimmen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass ungeplant hohe Versorgungsansprüche möglicherweise über viele Jahre hinweg zu bedienen sind.

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