Vorsicht bei Betriebserwerb aus einer Insolvenz

Am 08. Juli 2019, von Michael Eckert

BAG, Beschlüsse vom 16. Oktober 2018 – Az: 3 AZR 139/17 (a) und 3 AZR 878/16 (a):

In den vorliegenden zwei Fällen geht es um die Haftung eines Betriebserwerbers für Ansprüche von übernommenen Arbeitnehmern aus Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Nach deutschem Insolvenzrecht ist die Haftung eines Betriebserwerbers dann erheblich eingeschränkt, wenn er einen Betrieb aus einem eröffneten Insolvenzverfahren erwirbt. In diesem Fall beschränkt sich seine Haftung auf Ansprüche, die in der Zeit seit Übernahme des Betriebes entstehen. Für Altverbindlichkeiten aus der Zeit vor der Übernahme bzw. der Insolvenzeröffnung haftet er in der Regel nicht. Zur Absicherung von Arbeitnehmern wurde insoweit der Pensionssicherungsverein (PSV) geschaffen. Arbeitgeber müssen an diesen Verein regelmäßig Beiträge abführen, wenn sie betriebliche Altersversorgungszusagen gemacht haben, um so die Ausfallhaftung des PSV zu finanzieren.

In einem der nun angesprochenen Fälle hatte ein Arbeitnehmer bei Insolvenzeröffnung und Übertragung des Betriebes auf den Erwerber noch keine unverfallbaren Ansprüche erworben, so dass er keine Leistungen vom PSV erhält.

Im zweiten Fall hatte ein Arbeitnehmer zwar Ansprüche gegen den PSV, diese waren aber geringer als wenn das Arbeitsverhältnis durchgängig mit dem Betriebserwerber bestanden hätte.

In beiden Fällen haben die aus Altersgründen zwischenzeitlich ausgeschiedenen Mitarbeiter den Betriebserwerber in Anspruch genommen und vertreten die Auffassung, dieser müsse auch für Pensionsansprüche haften, die vor der Übernahme und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.

Diese Argumentation würde das gesamte deutsche Insolvenzrecht insoweit aushöhlen und hätte möglicherweise auch zur Folge, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wesentlich erschwert würde: Betriebserwerber konnten sich bislang sicher sein, bei einem Erwerb nach eröffneter Insolvenz keine „Altverbindlichkeiten“ auch hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung zu übernehmen. Sollte sich dies, wie die ehemaligen Arbeitnehmer argumentieren, ändern, würden Betriebsübernahmen bei bestehenden betrieblichen Altersversorgungszusagen zu einem unkalkulierbaren Risiko werden.

Der dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die beiden vorgenannten Fälle nunmehr dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen von Vorab-Entscheidungsverfahren vorgelegt und um Mitteilung gebeten, ob die hier einschlägigen deutschen Regelungen im Insolvenzrecht und in § 613 Absatz 1 BGB mit Europarecht in Einklang stehen.

Unternehmen, die sich mit dem Gedanken eines Betriebserwerbs aus einem Insolvenzverfahren tragen, sollten diese beiden Verfahren bei anstehenden Verhandlungen und Entscheidungen berücksichtigen, da ein Ausgang der Anfragen an den EHG derzeit nicht absehbar ist.

 

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