Benachteiligung wegen der Religion

Am 17. Juni 2019, von Michael Eckert

BAG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – Az: 8 AZR 501/14:

 

Die vorliegende Entscheidung war mit großer Spannung erwartet worden, sollte sie doch ein wenig Licht in die Frage bringen, wann Kirchen bestimmte Anforderungen an die Religionszugehörigkeit ihrer (zukünftigen) Mitarbeiter stellen dürfen.

Grundsätzlich ist eine Benachteiligung aufgrund der Religionszugehörigkeit oder auch einer fehlenden Religionszugehörigkeit nicht zulässig. Ein Anknüpfen an das Merkmal der Religionszugehörigkeit stellt nach dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) eine verbotene Diskriminierung dar.

Hierauf hatte sich auch eine Bewerberin berufen, die sich bei der evangelischen Kirche um eine Referentenstelle beworben hatte. Geplant war eine auf zwei Jahre befristete Referentenstelle in Teilzeit. In der Ausschreibung war der Hinweis enthalten, dass eine Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche erforderlich sei und Bewerber waren aufgefordert waren, ihre Religionszugehörigkeit im Bewerbungsschreiben anzugeben. Dies hatte die – konfessionslose – Bewerberin unterlassen und war nicht angestellt und noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Die Stelle hatte dann ein evangelischer Bewerber erhalten. Eingeklagt hatte die Bewerberin einen Betrag von knapp € 10.000,00 als Entschädigung gemäß § 15 Absatz 2 AGG.

Das BAG hat ihr in der Sache Recht gegeben, die Entschädigung aber auf knapp € 4.000,00 festgesetzt. Dies entsprach zwei Gehältern für die vorgesehene Stelle.

Streitentscheidend war die Frage, ob vorliegend ausnahmsweise eine Unterscheidung nach der Religionszugehörigkeit zulässig war. Solche Ausnahmen lässt § 9 Absatz 1 AGG ausdrücklich zu, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Wichtig an der Entscheidung des BAG ist zunächst, dass die erste in § 9 Absatz 1 AGG genannte Ausnahmemöglichkeit, nämlich im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche, nach dem vorliegenden Urteil unwirksam sein soll, da hier ein Verstoß gegen EU-Recht vorliege. Eine europarechtskonforme Auslegung sei insoweit nicht möglich. Die Vorschrift dürfe daher insoweit nicht angewendet werden.

In Betracht kam damit nur noch die zweite Alternative, nämlich ein Abstellen auf die Religionszugehörigkeit nach Art der Tätigkeit. Hier stellt das BAG auf Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2000/78/EG ab, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nur zulässig ist, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft darstellt.

Im Ergebnis hat das BAG das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint, da der jeweilige Stelleninhaber in einen internen Meinungsbildungsprozess bei der Kirche eingebunden sei und deshalb in Fragen, die das Ethos der Kirche betreffen, nicht hätte unabhängig handeln können.

 

Anmerkung:

Die Entscheidung des BAG begegnet Bedenken. Der Gesetzgeber hat in Deutschland im Rahmen des AGG bewusst eine nicht so eng gefasste Ausnahmevorschrift zu Gunsten der Kirchen und Religionsgemeinschaften erlassen, um diesen im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts zu erlauben, für bestimmte – in der Regel verkündungsnahe – Tätigkeiten kirchenangehörige Mitarbeiter einzusetzen.

Bedenklich ist hierbei schon die Auffassung, dass § 9 Absatz 1 erste Alternative AGG nicht angewendet werden dürfe. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ist nämlich u.a. eine einzelstaatliche Gepflogenheit, die auch in Deutschland seit langem anerkannt ist und von der EU-Richtlinie ausdrücklich als Differenzierungskriterium gebilligt wird.

Aber auch wenn man nur auf die Tätigkeit abstellt, ergeben sich überwiegend Argumente dafür, dass eine Differenzierung anhand der Kirchenzugehörigkeit vorliegend zulässig war. Aufgabe des einzustellenden Referenten war nämlich auch die Vertretung der evangelischen Kirche nach außen. So sollte ein Bericht der Kirche zur UN-Anti-Rassismus-Konvention erarbeitet werden, weiterhin Stellungnahmen und Fachbeiträge. Aufgabe sollte es auch sein, die Diakonie Deutschland projektbezogen gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen vertreten und außerdem sollte in verschiedenen Gremien mitgearbeitet werden.

Das BAG vertritt die Auffassung, eine Kirchenzugehörigkeit sei vorliegend deshalb entbehrlich, weil der Stelleninhaber die Kirche nicht „unkontrolliert“ nach außen vertreten sollte, sondern in einen internen Meinungsbildungsprozess bei der Kirche eingebunden sei. Das BAG geht offensichtlich davon aus, dass die Einbindung in einen internen Meinungsbildungsprozess ausreicht, um dann, unabhängig von der Kirchenzugehörigkeit, nach außen das wiederzugeben, was der internen Meinungsbildung entspricht.

Vorliegend ging es jedoch um eine Referentenstelle und nicht um die Stelle beispielsweise eines Pressesprechers. Letzterer hat häufig die Aufgabe, vorbereitete Statements zu verbreiten, hat also kaum Gelegenheit, insoweit abweichende Meinungen nach außen zu vertreten.

Wer allerdings eine Organisation in anderen Organisationen vertreten soll und auch Öffentlichkeitsarbeit gegenüber Politik, der Öffentlichkeit allgemein und Menschenrechtsorganisationen im Speziellen betreiben soll, hat im Rahmen dessen, was nach außen getragen und vertreten wird, relativ große Freiheiten. Hier lässt sich auch für die Kirche in der Regel nicht sofort feststellen, ob das Ergebnis einer internen Meinungsbildung nach außen getragen wurde oder möglicherweise abweichende Auffassungen vertreten werden. Gerade die Mitarbeit in Gremien führt oft auch zu der Möglichkeit, unvorbereitet Stellungnahmen abgeben zu müssen, die nicht intern vorbereitet werden konnten.

Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen muss meines Erachtens hier weitergehend geschützt werden. Mit den Argumenten des BAG würde es sich auch vertreten lassen, dass Konfessionslose als Pfarrer eingestellt werden müssen: Auch hier liegt das, was zu verkünden ist, in der Regel weitgehend schriftlich (Bibel) vor und eine interne Meinungsabstimmung hat im Ältestenrat/Kirchenvorstand o.ä. stattgefunden.

In Deutschland ist aber anerkannt, dass Kirchen immer dann auf eine Religionszugehörigkeit achten dürfen, wenn eine Tätigkeit mit Außenwirkung verbunden ist oder aus anderen Gründen verkündigungsnah ist. Beides scheint mir hier gegebenen zu sein.

 

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