Verfall von Urlaubsansprüchen

Am 22. Mai 2017, von Michael Eckert

Vorlage Beschluss an den EuGH ,BAG-Beschluss vom 13. Dezember 2016, Az: 9 AZR 541/15 (A)

In einem weiteren Vorlage-Beschluss an den EuGH geht es um die europarechtliche Wirksamkeit des deutschen Urlaubsrechts.

Konkret hat das BAG über folgenden Fall zu entscheiden:

Das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer endete am 31. Dezember des Jahres. Da dieser noch 51 Urlaubstage offen hatte, forderte der Arbeitgeber ihn am 23. Oktober des Jahres auf, seinen Urlaub auf jeden Fall vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahresende zu nehmen. Der Arbeitnehmer entschloss sich jedoch, nur zwei Urlaubstage zu nehmen, und machte insgesamt 49 Tage Urlaubsabgeltung geltend.

Das deutsche Urlaubsrecht sieht in § 7 Absatz 3 Satz 1 BUrlG vor, dass nicht genommener Urlaub grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres/Kalenderjahres verfällt. Ausnahmen sind nur dann vorgesehen, wenn die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes entweder aus betrieblichen oder dringenden privaten Gründen nicht möglich war. Hatte der Arbeitnehmer jedoch einfach keinen Urlaub genommen, verfällt der Urlaub zum 31. Dezember eines Jahres. Dies gilt auch unabhängig davon, ob sich das Arbeitsverhältnis im folgenden Kalenderjahr fortsetzt oder es am 31. Dezember endet.

Trotz dieser nach deutschem Urlaubsrecht eindeutigen Rechtslage wurde dem Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung für 49 Urlaubstage zugesprochen, und zwar gleich in erster und in zweiter Instanz. Erst das BAG hat sich nunmehr zur Vorlage an den EuGH entschieden. Dies hätte grundsätzlich schon in erster Instanz geschehen müssen, wenn mit Blick auf europäisches Recht von nationalem deutschem Recht abgewichen werden soll. Die Entscheidung, dass nationales Recht wg. vorrangiger europäischer Rechtsvorschrift unwirkam sei, liegt insoweit eigentlich nicht in der Kompetenz der Instanzgerichte.

Hintergrund der europarechtlichen Bedenken ist eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 30. Juni 2016 (C 178/15). Danach soll der Arbeitgeber verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer den Urlaub zwingend zuzuweisen. Nur wenn dies geschehen sei, der Arbeitnehmer aber den Urlaub trotzdem nicht in Anspruch genommen habe, sei eine Abgeltung ausgeschlossen. Zumindest ist dies die Auslegung, die ein Teil der Instanzgerichte mit der genannten Entscheidung verbindet. Es komme also nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Vielmehr müsse der Arbeitgeber dann eine Abgeltung bezahlen, wenn er den Urlaub nicht zwingend zugewiesen habe.

Eine solche zwingende Zuweisung ist mit deutschem Urlaubsrecht nicht vereinbar. Auch sonstige Grundlagen des deutschen Arbeitsrechts widersprechen einer solchen zwingenden Anordnung von Urlaub. Hier stellt sich insbesondere die Frage, wann der Arbeitgeber berechtigt oder verpflichtet sein soll, einem Arbeitnehmer restlichen Urlaub für das laufende Kalenderjahr zuzuweisen. Um nicht in die Dispositionsmöglichkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich seines eigenen Erholungsurlaubes einzugreifen, dürfte sich der Arbeitgeber eigentlich nur darauf beschränken, den Urlaub zum Jahresende zuzuweisen. Dies würde aber dazu führen, dass viele Betriebe zum Jahresende entvölkert würden, wenn allen Arbeitnehmern der Urlaub zwingend zugewiesen werden müsste.

Zu einer solchen Maßnahme besteht auch keinerlei Veranlassung, auch nicht aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes. Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, Urlaub zu beantragen. Wird dieser aus betrieblichen Gründen ggf. nicht gewährt, wird er ohnehin automatisch in das Folgejahr übertragen. Entscheidet sich der Arbeitnehmer jedoch, Urlaub nicht in Anspruch zu nehmen oder vergisst er dies schlichtweg, besteht keine Veranlassung, ihm „zum Urlaub zu zwingen“.

Es steht also zu hoffen, dass der EuGH hier keine weiteren mit der Praxis kaum zu vereinbarenden Verpflichtungen schafft.

 

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