BAG, Urteil vom 19. August 2015, Az: 5 AZR 975/13

Besteht ein Arbeitsvertrag und kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich beschäftigen, behält der Arbeitnehmer in der Regel seinen Vergütungsanspruch. Juristen sprechen hier von einem Annahmeverzug.

Etwas anderes gilt aber dann, wenn das Arbeitsverhältnis rückwirkend begründet wird. Zu einer solchen rückwirkenden Begründung kommt es nicht ganz so selten, wie man vielleicht auf den ersten Blick vermuten mag.

Vorliegend war ein Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Betriebsüberganges (§ 613 a BGB) auf eine neu gegründete Gesellschaft übergegangen. Der bisherige Arbeitgeber garantierte seinen Mitarbeitern aber, um den Übergang zu erleichtern, ein Rückkehrrecht. Innerhalb einer bestimmten Frist sollten die Beschäftigten die Möglichkeit haben, zum alten Arbeitgeber zurückzukehren. Der Betriebsübergang erfolgte mit Wirkung zum 01. Januar 1987. Leider hatte der ursprüngliche Arbeitgeber vergessen, dieses Rückkehrrecht zeitlich zu befristen. Somit sah er sich verschiedenen Rückkehrwünschen von Arbeitnehmern ausgesetzt, als der neue Arbeitgeber, auf den die Arbeitsverhältnisse 1987 übergegangen waren, im Jahre 2009 Insolvenz anmelden musste und der Betrieb geschlossen wurde.

Das Landesarbeitsgericht hatte den Arbeitgeber im vorliegenden Fall jedoch rechtskräftig dazu verurteilt, das Angebot der Arbeitnehmerin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anzunehmen. Dieses sollte am 01. Februar 2010 beginnen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erging im September 2013.

Die Arbeitnehmerin hat auf Zahlung Ihres Gehalts in der Zeit zwischen Februar 2010 und September 2013 geklagt. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Klage nun in letzter Instanz abgewiesen. Im vorliegenden Fall, so das BAG, bestand im fraglichen Zeitraum kein tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis. Dieses wurde erst nachträglich durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz begründet. Ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis sei aber, so das BAG, im fraglichen Zeitraum nicht tatsächlich durchführbar gewesen. Daher schuldet der Arbeitgeber auch nicht die Vergütung, da er es nicht zu verantworten hatte, dass im fraglichen Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht wurde. Der Arbeitgeber befand sich, so das BAG in einer seltenen Feststellung, in einem „endschuldbaren Rechtsirrtum“.

Anmerkung:

Der vorliegende Fall ist nicht zu vergleichen mit dem Annahmeverzug des Arbeitgebers, der ein Arbeitsverhältnis gekündigt hat und den Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht weiter beschäftigt. Hier sind bislang keine Fälle bekannt, in denen das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertritt, der Arbeitgeber habe sich in einem „endschuldbaren Rechtsirrtum“ befunden, wenn er davon ausgeht, dass die Kündigung wirksam sei und die Beschäftigung deshalb verweigert.

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