Die Festsetzung von Streitwerten bei arbeitsgerichtlichen Verfahren dient nicht nur der Ermittlung der Gerichtsgebühren, sondern ist auch Grundlage für die Berechnung der Anwaltsgebühren. Hier gibt es gerade in arbeitsgerichtlichen Verfahren oft unterschiedliche Interessen:

Die Parteien eines Verfahrens haben natürlich ein Interesse daran, dass die Gerichts- und Anwaltskosten möglichst gering sind, und wünschen sich daher die Ansetzung eines möglichst niedrigen Streitwertes.

Die Anwaltschaft hat aus nachvollziehbaren Gründen ein Interesse daran, eher höhere Streitwerte festsetzen zu lassen, um auskömmliche Gebühren zu erzielen. Den an arbeitsgerichtlichen Verfahren beteiligten Verbänden, d. h. den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, ist die Festsetzung grundsätzlich gleichgültig, da diese für ihre Mitglieder in der Regel ohne zusätzliche Gebühren tätig werden. Sie finanzieren sich über die Mitgliedsbeiträge.

Die Position des Gerichts lässt sich einheitlich nicht festlegen. Häufig finden sich niedrige Streitwertfestsetzungen, um die Parteien des Rechtsstreits „zu entlasten“, obgleich das Interesse des Staates eigentlich dahingehen müsste, über auskömmliche Gerichtsgebühren einen hohen Anteil der Verfahrenskosten abzudecken. Hinzu kommt aber, dass bei einem Vergleich, der das Verfahren insgesamt beendet, die Gerichtsgebühren entfallen.

Bei Parteien, die Prozesskostenhilfe erhalten, geht das staatliche Interesse wieder dahin, den Streitwert (und damit die Anwaltsgebühren) möglichst niedrig anzusetzen.

Um hier zu einer einheitlichen Regelung zu kommen haben die Präsidenten der Landesarbeitsgerichte sich bereits im Jahr 2013 darauf verständigt, einen bundeseinheitlichen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit zu „beschließen“. Dieser ist auf erheblichen Widerstand gestoßen, da die Anwaltschaft als hauptbetroffene Berufsgruppe zunächst überhaupt nicht angehört worden war. Die dann später eingebrachten Argumente aus Anwaltssicht  wurden jedoch nur unzureichend umgesetzt.

Letztlich wurde ein Streitwertkatalog verabschiedet, der im Ergebnis zu einer erheblichen Verringerung der anwaltlichen Gebühren geführt hat, insbesondere was den sog. Vergleichsmehrwert betrifft. Gerade die Vorbereitung und der Abschluss eines Vergleichs sind für Anwälte nicht nur besonders zeitaufwendig, sondern auch besonders risikoträchtig, wenn im Nachhinein eine fehlende, unzureichende oder falsche Beratung gerügt wird.

Aktuell soll der Streitwertkatalog nunmehr überarbeitet werden. Der deutsche Anwaltsverein, die Bundesrechtsanwaltskammer sowie Deutscher Gewerkschaftsbund und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wurden um Stellungnahmen gebeten.

Äußerst interessant ist hier, dass zwar der Deutsche Gewerkschaftsbund, nicht aber Arbeitgeberverbände zur Stellungnahme aufgefordert wurden, obgleich die Verbände hier ohnehin kein eigenes Interesse haben und die jeweils von Ihnen vertretenen Mitglieder ebenfalls nicht.

Warum vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft eine Stellungnahme angefordert wurde, lässt sich ebenfalls nicht nachvollziehen. Angesprochen werden könnten hier ja allenfalls die Rechtsschutzversicherer, die ohnehin aus Kosteneinsparungsgründen ein Interesse an möglichst niedrigen Gebühren haben.

In der Praxis wird oft übersehen, dass die erste Fassung des Streitwertkataloges keineswegs für die Richterinnen und Richter bindend ist. Es handelt sich ausschließlich um Empfehlungen, von denen aber jederzeit abgewichen werden darf. Entscheidend ist nämlich immer der konkrete Einzelfall.

Politisch macht es keinen Sinn, wenn parallel zur Anhebung der Anwaltsgebühren im Arbeitsrecht ein Streitwertkatalog in Kraft getreten ist, der letztlich zu einer Verringerung der im Arbeitsrecht tätigen Anwältinnen und Anwälte geführt hat, trotz gesetzlicher Gebührenanpassung.

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