Neufassung der Arbeitnehmerüberlassung

Am 03. Oktober 2016, von Michael Eckert

Nach langen und teils heftigen Diskussionen hat die große Koalition Anfang Juni 2016 gesetzliche Änderungen für den Bereich Zeitarbeit und Werkverträge beschlossen. Damit soll insbesondere ein Missbrauch in diesen Bereichen bekämpft werden. Bedauerlich ist hier aber, dass die neuen Regelungen über eine Missbrauchsbekämpfung weit hinausgehen: Auch regulär arbeitende Zeitarbeitsunternehmen werden hiervon negativ betroffen: Zum einen steigt der Verwaltungsaufwand erheblich, zum anderen können schon kleinere Verstöße, die vielleicht aus Unachtsamkeit oder Unwissenheit begangen werden, schwer geahndet werden, bis hin zum Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis.

Wichtigste Neuerungen sind Verschärfungen beim Grundsatz Equal Treatment. Dies bedeutet nicht nur gleichen Lohn, sondern gleiche Arbeitsbedingungen für die Leiharbeitnehmer, die sich an den Arbeitsbedingungen der fest Angestellten beim Entleiher orientieren. Equal Pay ist spätestens nach acht Monaten zu gewährleisten. Eine Ausnahme gilt nur dort, wo ein Branchenzuschlagstarifvertrag besteht. Dort gilt Equal Pay erst nach einer Einsatzdauer von fünfzehn Monaten.

Politisch besonders heftig diskutiert war im Vorfeld die Frage, ob Leiharbeit wirksam auf eine bestimmte Dauer der Überlassung beschränkt werden soll.

Hier sieht das neue Gesetz nunmehr eine auf die Person des Arbeitnehmers bezogene Höchstdauer der Überlassung von achtzehn Monaten vor. Durch Regelungen im Tarifvertrag oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung kann diese Frist auf maximal vierundzwanzig Monate verlängert werden. Diese Regelung soll dem Schutz der Leiharbeitnehmer gelten, um dauerhafte Überlassungen und damit ein Unterbieten der Lohnkosten im Stammbetrieb zu vermeiden. Dieses Ziel ist aber nicht erreicht worden: Zum einen gilt das Argument der Lohnunterbietung unter dem Grundsatz von Equal Pay/Equal Treatment nicht mehr. Zum anderen können Verleiher und Entleiher einen Arbeitsplatz dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzen, allerdings muss die Person des Leiharbeitnehmers nach achtzehn bzw. vierundzwanzig Monaten ausgetauscht werden. Damit erweist sich die neue gesetzliche Regelung als Bumerang zum Nachteil der Leiharbeitnehmer: Diese verlieren eine angestammte Tätigkeit nach achtzehn bzw. vierundzwanzig Monaten. Der Leiharbeitnehmer muss sich dann nach einer neuen Tätigkeit umsehen und der Arbeitgeber kann den Leiharbeitsplatz durch einen anderen Leiharbeitnehmer besetzen.

Im Ergebnis steigt dadurch nicht nur der Verwaltungs-, sondern auch der finanzielle Aufwand für die Verleiher und die Rechtsunsicherheit für Leiharbeitnehmer wird größer anstatt kleiner.

Teilweise neu ist das Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher, wenn der Betrieb des Entleihers unmittelbar (!) durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Hier haben sich die Gewerkschaften durchgesetzt, um ihre Schlagkraft bei Streiks zu erhöhen. Arbeitgebern soll die Möglichkeit genommen werden, streikende Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen. Bislang bestand insoweit lediglich das Recht der entliehenen Mitarbeiter, eine Tätigkeit als Streikbrecher zu verweigern. Ein Beschäftigungsverbot gab es dagegen nicht. Ob eine solche Regelung unter dem Stichwort „Kampfparität“ verfassungsrechtlich zulässig ist, ist allerdings sehr umstritten. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn der Gesetzgeber diesen Eingriff in die Kampfparität unterlassen hätte, zumal eine verfassungsgerichtliche Klärung nicht ganz ausgeschlossen ist. Damit sind weitere Rechtsunsicherheiten verbunden.

Die unten erörterte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Juli 2016 zur Rechtsfolge der sogenannten verdeckten Arbeitnehmerüberlassung wird vom Gesetzgeber gleich wieder ausgehebelt: Unter verdeckter Arbeitnehmerüberlassung versteht man den Abschluss eines Dienst- bzw. Werkvertrages zwischen dem Arbeitgeber und dessen Kunden, der sich in Wahrheit als Arbeitnehmerüberlassung erweist. Häufiges Unterscheidungskriterium hier ist die Frage, wer das sogenannte Direktions- oder Weisungsrecht ausübt.

Mit der unten besprochenen Entscheidung hatte das BAG es ausdrücklich zugelassen, dass der Arbeitgeber vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beantragt und erhält, um dann, wenn sich die konkreten Vertragsverhältnisse statt als Dienst- oder Werkvertrag als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag erweisen sollten, zumindest keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung zu begehen. Dies war und ist auch für die „Entleiher“ wichtig, da bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung automatisch ein Arbeitsvertrag zwischen dem überlassenen Arbeitnehmer und dem „Entleiher“ zustande kommt.

Mit der jetzigen Neuregelung wird das Risiko für Verleiher und Entleiher deutlich erhöht werden. Eine vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis soll nicht mehr wirksam sein, wenn ein Vertragsverhältnis fälschlicherweise nicht offen als Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Werkvertrag bezeichnet wird. Wird ein Vertrag als Werkvertrag bezeichnet, stellt sich dann jedoch heraus, dass es sich in Wahrheit um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag handelt, sollen sich die Parteien nicht auf eine beim Arbeitgeber vorhandene Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen dürfen.

Die Informationspflichten gegenüber dem Betriebsrat sollen beim Einsatz von Fremdpersonal erhöht werden.

Eine wesentliche Änderung bei dem eigentlich wichtigsten Punkt, nämlich bei der Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung einerseits zu Dienst- und Werkverträgen andererseits bringt die Neuregelung allerdings nicht. Hier ist von einer „wertenden Gesamtbetrachtung“ die Rede. Dies wird von den Gerichten bereits heute praktiziert.

Eine echte Neuerung  ist der Versuch, den Begriff des Arbeitnehmers zu definieren. Bislang hatte das Gesetz auf eine Definition verzichtet, so dass teilweise auf eine typologische Betrachtung in der Rechtsprechung bzw. auf Deutungsversuche im Sozialversicherungs- und Steuerrecht zurückgegriffen werden musste.

Grundsätzlich wäre eine gesetzliche Definition des so zentralen Arbeitnehmerbegriffs besonders wichtig und für die Praxis hilfreich. Allerdings erscheint es sehr fraglich, ob dies gelingt. Diese „Definition“ ist nämlich so offen, wie es bisher die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes war. Es bleibt bei einer typologischen Betrachtungsweise. Eine eindeutige Beantwortung gerade der schwierigen Grenzfragen im Bereich der freien Mitarbeiter, der Werkverträge etc. wird durch die Definition nicht erleichtert, sondern sogar eher noch erschwert.

So heißt es beispielsweise im Gesetzestext, dass Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter ist, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Ist damit der leitende Angestellte, der Prokurist, Niederlassungsleiter etc., der seine Tätigkeit frei gestaltet und seine Arbeitszeit frei bestimmt, nicht mehr Arbeitnehmer?

Was ist damit gemeint, wenn es im Gesetzestext heißt: „Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.“?

Nach wie vor ist davon die Rede, dass „für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen“ ist. Nach wie vor gilt, dass es auf die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses im Vertrag selbst nicht ankommt, wenn die tatsächliche Durchführung hiervon abweicht.

Mit anderen Worten: Der Versuch einer Definition der Arbeitnehmereigenschaft ist gescheitert, wenn man dies mit dem Ziel verbunden hat, der Praxis klare abgrenzbare Kriterien an die Hand zu geben.

 

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